Zusammenfassung

des Projekts "Clearingstelle Deutschland"


(Hinweis: weitergehende Informationen zur Clearingstelle im hierzu gesondert erstellten Tätigkeitsbericht)


I. Entwicklung des Europäischen Netzwerkes für die außergerichtliche Streitbeilegung (EEJ-NET) im Jahr 2002

A. Hintergründe des EEJ-NET

Das EEJ-Net beruht auf einer Initiative der Europäische Kommission zur Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts im Wege eines verbesserten Zugangs zum Recht. Die neu geschaffenen Clearingstellen unterstützen den Verbraucher insbesondere bei seiner grenzüberschreitenden Beschwerde und informieren ihn über Schlichtungseinrichtungen und -verfahren in Europa. Seit 1998 strebt die Kommission ein europaweites Netzwerk zur außergerichtlichen Streitbeilegung an. Schließlich startete am 16. Oktober 2001 offiziell die noch bis April 2003 währende Pilotphase des EEJ-Nets. Eine positive Zwischenbilanz des Netzwerkes zog der für Verbraucherschutz zuständige Kommissar Byrne im Europäischen Ministerrat bereits im Dezember 2002.

Zum Jahreswechsel 2001/ 2002 sowie spätestens im Laufe des Jahres 2002 bildeten die Mitgliedstaaten ihre nationalen Kontaktstellen (sogenannte Clearingstellen oder Clearing Houses). Im Gegensatz zur Clearingstelle Deutschland nahm das französische Pendant in Lille seinen Betrieb nicht zu Jahresbeginn 2002, sondern im Herbst 2002 auf. Aus diesem Grunde nahmen viele Verbraucher die deutsch-französische Beratungsabteilung von Euro-Info-Verbraucher e.V. zur Lösung ihrer deutsch-französischen Probleme in Anspruch. Die hierfür verantwortlichen Mitarbeiter des Vereins stellten infolgedessen einen lückenlosen Schutz der betreffenden Verbraucher sicher.

Regelmäßige Arbeitstreffen mit den anderen Clearingstellen, der Europäischen Kommission und dem Bundesjustizministerium sowie ein intensiver Informations- und Reklamationsaustausch via Fernkommunikationsmittel führten bereits innerhalb kurzer Zeit zu einem funktionierendem Netzwerk. Zwei Arbeitstreffen des EEJ-Nets in Portugal dienten der Fortentwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Clearing- und Schlichtungsstellen.


B. Zusammenfassung der Europäischen Netzwerkarbeiten 2002

Im Gründungsjahr des Netzwerkes bildeten neben der Bearbeitung der ersten Beschwerden insbesondere die Aufstellung der nationalen Clearingstellen sowie die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Akteuren, namentlich die Kommission, die Mitgliedstaaten (Justizministerien), die Clearingstellen sowie die Schlichtungsstellen die Prioritäten. Insbesondere steht die Entwicklung einer verbraucherfreundlichen Internetplattform und eine gemeinsame Datenbank im Vordergrund.

Die Kommission führte im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 4. Oktober 2002 eine erste Datenerhebung durch, bei der die einzelnen Clearingstellen ein Zwischenergebnis zu den bisher eingegangenen und behandelten Verbraucherbeschwerden mitteilt. Den hierauf beruhenden Zwischenbericht stellte die Kommission anlässlich des EEJ-Net Treffens in Brüssel am 14. Oktober 2002 vor.

Hierzu im Einzelnen:


II. Aufbau und Arbeit der Clearingstelle

A. Eingliederung in die Struktur EURO-INFO-VERBRAUCHER e.V.

Euro-Info-Verbraucher e.V. richtete zum 01.01.2002 - entsprechend der Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz vom 26. Oktober 2001 - die „Clearingstelle Deutschland“ in ihren Räumlichkeiten ein. Seither agiert die Clearingstelle bei grenzüberschreitenden Streitfällen als Schalt- und Kontaktstelle zwischen den Streitparteien, d. h. den Verbrauchern und Unternehmen verschiedener Herkunft, sowie den zuständigen Partners der anderen Clearing- und Schlichtungsstellen. Die zitierte Entscheidung zugunsten des Vereins traf das Bundesjustizministerium in Ansehung der langjährigen Erfahrungen des Vereins und seiner Mitarbeiter im Umgang mit grenzüberschreitenden Verbraucherstreitigkeiten sowie seiner tiefen geographischen und politischen Einbettung in einem europäischen Umfeld an der Schnittstelle der beiden größten Staaten der Europäischen Union.

B. Auswirkungen auf die gesamte Vereinsstruktur

Dank dieser Erweiterung des Aufgabenbereichs intensivierte sich für alle Abteilungen des Vereins der grenzüberschreitende Dialog mit betroffenen Verbrauchern, Unternehmen sowie nationalen und insbesondere europäischen Akteuren im Bereich des Verbraucherschutzes. Zudem führte das weitreichende Interesse der Medien - insbesondere nach der feierlichen Eröffnung der Clearingstelle in der Stadthalle Kehls am 08. März 2002 unter Beteiligung u.a. der Bundesjustizministerin sowie hochrangiger Vertreter französischer Politik und Verwaltung - zu einer nachhaltigen Ausdehnung des Wirkungsraums. So wurden insbesondere vermehrt Verbraucheranfragen aus dem gesamten Bundesgebiet verzeichnet.

C. Die Aufgaben der Clearingstelle

Innerhalb des EEJ-Net arbeitet die Clearingstelle mit insgesamt sechszehn anderen nationalen Clearingstellen und den Schlichtungsstellen eng zusammen. Ihr Ziel ist dabei, Verbraucherstreitigkeiten einer außergerichtlichen und somit für den Verbraucher schnellen und kostengünstigen Lösung zuzuführen.

1. Dienstleistungen für den Verbraucher

Die Clearingstelle versteht sich als Dienstleister für den Verbraucher und legt daher den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf:


2. Koordination außergerichtlicher Streitbeilegung

Zur Gewährleistung einer reibungslosen Koordinierung der Verfahren hält die Clearingstelle regelmäßig Kontakt mit den Schlichtungseinrichtungen. Fallbezogene Kontakte wurden insbesondere zu Schlichtern aus dem Bereich des Kfz-Gewerbes und zu den Schlichtungseinrichtungen der Industrie- und Handelskammern aufgebaut. Nach Evaluierung der in Deutschland bereits offiziell im Netzwerk gemeldeten und der potentiellen zusätzlichen Stellen könnte das Netz der Schlichtungsstellen noch enger geknüpft werden.

Eine Reihe von Reklamationen eignete sich dem Grunde nach für eine Schlichtung. So konnte die Clearingstelle einige Schlichtungsverfahren im In- und Ausland einleiten. Bei Beschwerden, die offensichtlich durch unlautere oder gar kriminelle Geschäftspraktiken entstanden sind, war die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung in vielen Fällen von vornherein mangels Kooperationswillen auf der Seite der gewerblich Handelnden ausgeschlossen.

Dessen ungeachtet leistete die Clearingstelle den Betroffenen in Gestalt von Beratung sowie, zum Teil, durch Weiterleitung an Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden (9 Fälle) Unterstützung. Einige immer wiederkehrende Probleme (z. B. im Bereich des Timesharings (18 Fälle) oder im Bereich des Gewinnspiels) wurden zu Präventionszwecken ausgewertet und veröffentlicht.

D. Bearbeitung von Informationsanfragen und Reklamationsfällen

Die Clearingstelle bearbeitete insgesamt 532 Informationsanfragen von Individuen und Organisationen. Daneben führte die Clearingstelle in Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern insgesamt 226 europäische Reklamationsverfahren für Verbraucher durch. Die Anfragen und Verfahren betrafen alle Themenbereiche des Verbraucherschutzes wie beispielsweise Verbrauchsgüterkauf, Dienstleistungen, Immobilienkauf, Versicherungen, Kfz-Reparatur und Online-Handel.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass die vorgenannten Zahlen nicht die grenzüberschreitenden deutsch-französische Reklamationsfälle enthalten bei denen Verbraucher eine Bearbeitung durch die spezialisierte Abteilung für deutsch-französische Verbraucherberatung von Euro-Info-Verbraucher e.V. (ggf. in Zusammenarbeit mit der Clearingstelle) bevorzugten.

1. Geographische Herkunft der Verbraucherstreitigkeiten

Beschwerden deutscher Verbraucher
Der ganz überwiegende Teil der Fälle deutscher Verbraucher aus dem ganzen Bundesgebiet wurde bei der Clearingstelle auf direktem Wege eingereicht (157 von insgesamt 167 Fällen). Bevorzugtes Kommunikationsmittel der Verbraucher bilden mit einem Anteil von 38,54 % der Fernsprecher, gefolgt von Briefsendungen (33,85 %). Allerdings ist auch der Anteil der Kontaktaufnahmen mittels elektronischer Post mit 15,63 % beachtlich.

Bei einem Blick auf die Herkunft der beteiligten Unternehmen fällt die erhebliche Anzahl von Beschwerden gegen Unternehmen mit Sitz in Spanien (61 Fälle) und in den Niederlanden (31 Fälle) ins Auge. Erklären lässt sich diese Häufung durch häufige Reisen in beide Länder. Zudem suchen viele Deutsche in Spanien einen Altersruhe- oder Zweitwohnsitz, während vor allem Verbraucher im dichtbesiedelten Nordwesten Deutschlands die Niederlande gerne zum Erwerb von Konsumgütern aufsuchen.

Beschwerden ausländischer Verbraucher
Die Beschwerden ausländischer Verbraucher gegen deutsche Unternehmen (53 Fälle) betreffend, wurden der Clearingstelle Deutschland in nahezu allen Fällen die Beschwerde über die im Ausland eingeschaltete heimische Clearingstelle bzw. über eine andere nationale oder europäische Verbraucherschutzeinrichtung zugeleitet. Demgegenüber ist festzustellen, dass sich vereinzelt Verbraucher aus nicht zum EEJ-Net gehörenden Staaten mangels eigener Anlaufstelle in ihrem Heimatstaat direkt an die Clearingstelle in Deutschland bei ihren Streitigkeiten mit deutschen Unternehmen (8 Fälle) wenden. Für die Zukunft stellt sich daher die Aufnahme weiterer Staaten (EU-Beitrittsstaaten sowie die Schweiz) in das Netzwerk als wünschenswert dar.

Die Clearingstelle verzeichnete in diesem Jahr Reklamationen ausländischer Verbraucher aus fast allen am EEJ-Net beteiligten Staaten, wobei angesichts der Bevölkerungsrelationen Norwegen und Schweden mit insgesamt 21 Fällen zahlenmäßig herausragen. Der Schwerpunkt bei den Beschwerden schwedischer oder norwegischer Verbraucher lag beim Gebrauchtwagenhandel. Dieses Phänomen findet seine Erklärung in der zu beobachtenden Praxis der Skandinavier, auf dem für deutschen Markt Gebrauchtfahrzeuge zu erwerben. Hierbei bleiben naturgemäß einzelne Streitigkeiten, beispielsweise über Mängel am Fahrzeug, nicht aus.

2. Art der Beschwerdesachverhalte

Die in 2002 behandelten Beschwerden betreffen ein weites Spektrum an Sachverhalten:


3. Erzielte Ergebnisse für die Beschwerdeführer

Positive Ergebnisse
Insgesamt konnte die Clearingstelle im Jahr 2002 in 62 von insgesamt 226 Fällen, Verbrauchern zu einer teilweisen oder gänzlichen Anspruchsanerkennung des beteiligten Unternehmers verhelfen. In drei Fällen liegt der Clearingstelle Deutschland die Entscheidung eines Schlichters vor. In den anderen Fällen führte bereits die bloße Einschaltung der Clearingstelle (und ihr an das Unternehmen gerichtete Angebot, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen) zu einer positiven außergerichtlichen Lösung der Rechtsstreitigkeit.

Negative Ergebnisse: Unmöglichkeit eines Schlichtungsverfahrens
In 86 Fällen stellte sich nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender Mittel eine außergerichtliche Einigung als nicht möglich dar.

- Unberechtigte Beschwerden, fehlendes Einverständnis zur Schlichtung
Dies ist zum einen zurückzuführen darauf, dass teilweise die Rechtslage gegen die Position des Verbrauchers sprach Zum anderen hatten Verbraucher aus unbekannten Gründen das Verfahrens nicht weiter betrieben bzw. sich zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zwischenzeitlich eines Anwalts bedient. Ein weiterer häufiger Hinderungsgrund bestand in der ausdrücklichen oder, bei fehlender Reaktion, stillschweigenden Ablehnung des involvierten Unternehmers, der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zuzustimmen.

- Unlautere und kriminelle Praktiken
Bei einigen der den Fällen zu Grunde liegenden Streitsachverhalten erscheint die Grenze zwischen "bloßer" Verletzung zivilrechtlicher Pflichten sowie deliktischer Handlungen, das heisst vorsätzlicher Schädigung des Verbrauchers durch Betrug oder Unterschlagung, fließend. Hier stößt das System der freiwilligen außergerichtlichen Streitbeilegung naturgemäß an seine immanenten Grenzen. An dieser Stelle ist vielmehr die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden gefordert.

- Mangel an geeigneten Schlichtungsstellen; schwebende Verfahren
Ferner ist bedauerlicherweise zu konstatieren, dass für bestimmte Wirtschaftsbereiche (beispielsweise die Reisebranche) geeignete Schlichtungsstellen bisher fehlen, so dass von vornherein den Beteiligten eine Schlichtungsstelle nicht angeboten werden konnte. Weitere 49 Fälle waren Ende 2002 noch nicht abgeschlossen und befinden sich auf Grund laufender Verfahren noch in einem schwebenden Zustand.