5. Seminar: "Versicherungen in Europa"

Ort: Hochschule für Öffentliche Verwaltung Kehl am Rhein

Datum: 19. bis 20. Juni 2000


Zusammenfassung der Referate und Diskussionsergebnisse

Das fünfte Seminar über den europäischen Versicherungsmarkt wurde unter der Leitung des Europäischen Verbraucherzentrums Bozen durchgeführt.

Im Sektor Risiko- und Kapitallebensversicherungen ist Italien innerhalb der Europäischen Union zumindest in einem Punkt benachteiligt: Die fehlende Transparenz der in Rechnung gestellten Verwaltungskosten (caricamenti). Während etwa in Frankreich zwischen 1 und 3 % des eingezahlten Betrages an Verwaltungskosten anfallen, sind es in Italien bis zu 18 %. Vom Abzug dieser Kosten erfährt der Versicherte nichts, es sei denn, er fragt ausdrücklich nach und bittet um eine schriftliche Auskunft. Diese Verwaltungskosten sind den Kunden vor Vertragsabschluss meistens unbekannt. Für Mauro Novelli vom Verbraucherschutzverband Adusbef in Rom liegt das Problem in der nach wie vor mangelnden Konkurrenz und dem Interesse der Gesellschaften, die Konsumentinnen und Konsumenten absichtlich im Unklaren zu lassen.

Hinzu kommt, dass die italienischen Versicherungen vergleichsweise große Einzugsgebiete haben. Niederländische Versicherungsanbieter müssen sich pro Versicherung mit etwa einem Zehntel an potenziellen Kunden im Vergleich zu den italienischen Marktgegebenheiten zufrieden geben. Nur ein Schub in Richtung Internationalisierung durch das Internet werde seiner Meinung nach die erstarrten nationalen Versicherungsmärkte aufbrechen. Der Kauf von Versicherungspolicen, speziell bei Lebens- und Kapitallebensversicherungen, bietet keine ausreichende Transparenz für die Versicherten. Auch die italienische Versicherungsaufsichtsbehörde ISVAP trage nicht dazu bei, dass die Situation sich verbessert, denn sie verpflichtet die Gesellschaften lediglich dazu, auf Anfrage der Kunden die Höhe der Verwaltungskosten mitzuteilen. Erforderlich wäre hingegen eine ganzheitliche Aufklärung und Informationspflicht vorab

Herr Dieter Daume von der Arbeiterkammer Linz in Österreich unterstrich ebenfalls die Notwendigkeit transparenterer Informationen für Verbraucher(innen). Besonders wichtig sei dabei die Aufsplittung der Prämie, denn es muss den Versicherten verständlich gemacht werden, was wofür bezahlt wird.

Herr Hans Dieter Meyer vom Bund der Versicherten (Deutschland) vertritt die Auffassung, dass die Kapitallebensversicherung weder für die Familienversorgung, noch für die Altersversorgung geeignet ist. Ihm ging es darum, wie man den Umfang der von einem Lebensversicherer geschuldeten Leistungen in den Versicherungsbedingungen transparent machen kann. Beispiel Rückkaufswert: In den Vertragsbedingungen heißt es lapidar: "Der bei einer Kündigung fällige Rückkaufswert wird nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik berechnet." Hinter der vollmundigen Klausel verbirgt sich die Tatsache, dass das Versicherungsunternehmen den bei Kündigung fälligen Rückkaufswert weitgehend beliebig einseitig bestimmen kann. Es kann aber nicht alleinige Sache des Versicherers sein, zu bestimmen, wie er die vom Kunden über Jahre eingezahlte Beträge verwendet.

Der Versicherungsnehmer gerät oftmals in Beweisnot, wenn das ihm verkaufte Versicherungsangebot nicht bedarfsgerecht ist. Ungeklärt blieb, ob die gesetzliche Verpflichtung zur Führung eines Beratungsprotokolls an dieser verbraucherunfreundlichen Beweislastverteilung etwas ändern könnte. Ähnliche Verhaltenspflichten sind immerhin im deutschen Wertpapierhandelsgesetz seit August 1999 in Gesetzesform gegossen worden.


Dr. Martine Mérigeau berichtete von einem vergleichsweise hohen Verbraucherschutzniveau in Frankreich: Das französische Recht kennt zum Beispiel ein 30-tätiges Rücktrittsrecht nach Zahlung der ersten Prämie. Eine Studie der Verbraucherschutzzentrale Ostbelgien ermittelte bis zu 300 % Prämienunterschiede bei Risikolebensversicherungen, die in Belgien, Deutschland und den Niederlanden angeboten wurden.

Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V., kritisierte die steuerliche Subvention der kapitalbildenden Lebensversicherungen in Deutschland (Voraussetzung: Vertragslaufzeit mindestens zwölf Jahre beträgt, eine Mindesttodesfallsumme von 60 % der Summe der Beiträge; Einzahlung von fünf Jahresbeiträge).

Durch die neuen Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie versprechen sich auch die Verbraucherverbände mehr Klarheit und Wettbewerb zugunsten des Kunden: Er kann zunehmend auch auf den Versicherungsmärkten wählen zwischen den im Wettbewerb stehenden Informationsprovidern und Finanzdienstleistungsanbietern. Dieser erleichterte Zugang zu Informationen für den internetkundigen Verbraucher führt zu einer positiven Umkehrung der Informationsasymmetrie.

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