Meine Damen und
Herren,
ich freue mich, zur Eröffnung der deutschen Clearingstelle des
Europäischen Netzes für die außergerichtliche Streitbeilegung
(englische Bezeichnung: European Extra-Judicial Network, Kurzform: EEJ-Net)
heute hier anwesend sein zu dürfen.
Die Wahl des
Standorts für diese Clearingstelle erscheint mir durchaus plausibel, da
diese Region auf eine Jahrhunderte alte Tradition grenzübergreifenden
Handelsaustauschs zurückblicken kann.
Vor rund zehn Jahren
sind wir hier schon einmal zusammengekommen um die Euro-Info-Beratungstelle aus
der Taufe zu heben; damals im Rahmen des Europäischen Pilotprojektes der
sogenannten Euroguichets, dem die Beratungsstelle Kehl einige Jahre lang
angehörte.
Seit damals hat der
Europäische Binnenmarkt erstaunliche Fortschritte gemacht und den
Verbrauchern immer mehr Möglichkeiten zum grenzübergreifenden
Einkaufen eröffnet. Mit der Euro-Bargeld-Einführung ist es nun
für die Verbraucher noch einfacher geworden, Preise zu vergleichen. Im
Zuge des E-Commerce und anderer Formen des Fernabsatzes verschwinden
schrittweise geografische Hürden. Die Verbraucher können von
günstigeren Preisen und breiterer Angebotsvielfalt profitieren.
Der Verbraucher muss
freilich sicher sein können, dass er - sollte etwas schief gehen - zu
seinem Recht kommen kann.
Das Netzwerk der
Europäischen Verbraucherzentren (euroguichets) und Beratungsstellen wie
Kehl haben schon bisher die Verbraucher bei der Lösung
grenzüberschreitender Probleme unterstützt. Allerdings sind die
Möglichkeiten dieser Einrichtungen auf Rechtsberatung und
Unterstützung im Rahmen der gütlichen Einigung beschränkt.
Aber nicht immer kann die Sache
gütlich gelöst werden. Der Gang vors Gericht ist nicht immer
praktisch oder kosteneffizient. Und bei grenzübergreifenden
Rechtsstreitigkeiten den Rechtsweg zu beschreiten, ist für die
allermeisten Verbraucher erst recht beschwerlich. Angesichts von
Sprachenproblemen, unterschiedlichen Rechtsvorschriften und unterschiedlichen
Verfahren ist das nicht verwunderlich.
Damit aber die Verbraucher mit der
nötigen Rechtssicherheit ihre Einkäufe außerhalb ihres
Wohnlandes tätigen können, brauchen sie Mechanismen die einfach
erreichbar, kostengünstig und wirkungsvoll sind.
Auf den nationalen Ebenen gibt es
ja bereits eine breite Palette sogenannter alternativer
Streitbeilegungsmechanismen. Auch wenn diese sich vom Ablauf her
geringfügig unterscheiden, verfolgen sie doch alle den gleichen Zweck: Sie
möchten dem Verbraucher eine Möglichkeit in die Hand geben, einen
Rechtsstreit mit Hilfe einer unabhängigen dritten "Instanz"
rasch, kostengünstig und wirkungsvoll beizulegen.
Diese Möglichkeit
eröffnet jetzt EEJ-Net allen Verbrauchern, wo immer sie auch in Europa
ansässig sind und wo immer ihr Problem liegt. Das neue Netzwerk nationaler
Clearingstellen soll dazu beitragen, in der Praxis jene Hindernisse abzubauen,
die sich dem Verbraucher in den Weg stellen, wenn er auf ein System zur
außergerichtlichen Streitbeilegung außerhalb seines Wohnlandes
zurückgreifen möchte.
Es sind in aller Regel mangelnde Kenntnis der ausländischen Systeme und
Verfahren, Sprachbarrieren und geografische Hemmnisse, die es dem Verbraucher
schwer machen, in erster Instanz bei Gericht zu klagen.
Wie Ihnen bekannt ist, hat
für EEJ-Net die einjährige Pilotphase am 16. Oktober 2001 begonnen.
Beteiligt sind außer den EU-Mitgliedstaaten auch Norwegen und Island.
Fester Bestandteil der Pilotphase
ist eine Art "Revisionsmechanismus", der Korrekturen ermöglicht,
so dass das System hinreichend flexibel ist. Damit kann es kontinuierlich
weiterentwickelt und ausgebaut werden und verbessert werden. Dazu muss jeder
Beteiligte seinen Beitrag leisten.
Mit der Pilotphase soll
sichergestellt werden, dass das Netz im Zusammenspiel mit den Einrichtungen,
denen die Schlichtung obliegt, effizient funktioniert und der Service für
die, die das System in Anspruch nehmen, stimmt.
EEJ-Net wird ergänzt durch ein entsprechendes Pendant für
Finanzdienstleistungen mit dem Namen "FIN-NET" (Financial Service
Complaint Network, soviel wie: Netz zur Behandlung von Beschwerden über
Finanzdienstleistungen), das bereits EU-weit funktioniert.
Auch die Zusammenarbeit bzw. die Abgrenzungen zwischen dem euroguichet-Netzwerk
und dem EEJ-Net muss sich entwickeln. Neun Mitgliedsstaaten haben den
eurogichet als EEJ-Net Clearingstellen bestimmt (AT, BE, FR,IT,IRL, Lux, PT,
SV, UK=NACAB) in den anderen Mitgliedsstaaten ist oder wird die Clearingstelle
bei einer anderen Institution angesiedelt.
In Deutschland betreibt die Europäische Kommission zusammen mit den
Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Hostein zwei
Euroguichets in Duesseldorf/Gronau und in Kiel. Euro-Info Kehl hat lange
Erfahrung in der Zusammenarbeit damit und wir sind sicher, dass die drei
Stellen sehr gut harmonieren werden und sich die Arbeit gut aufteilen.
Jedenfalls kann die deutsche
Clearingstelle auf die Expertise der euroguichets zählen. Diese werden
auch in der Zukunft die Verbraucher über ihre Rechte informieren und
gegebenenfalls versuchen, eine gütliche Einigung mit dem betreffenden
Unternehmer herbeizuführen. Wo das nicht funktioniert werden sie die
Clearingstelle einschalten.
Mit der Zeit und anhand der aus der täglichen Praxis gewonnenen
Erfahrungen wird EEJ-Net zu einer erfolgreich funktionierenden realen
Errungenschaft werden. Genau deshalb wurde die genannte
Revisionsmöglichkeit auch in die laufende Systementwicklung eingebaut.
Gestärkt wird die Pilotphase durch ein "gerüttelt
Maß" an guten Absichten und ernsthaften Bemühungen. Ausserdem
beteiligt sich die Kommission zu 50% an den Anlaufkosten.
In der Pilotphase wird sich das
Netz zunächst auf jene Systeme der alternativen Schlichtung
(Streitbeilegung) beschränken, die der Kommission gemäß ihrer
Empfehlung aus dem Jahr 1998 gemeldet wurden; allerdings soll im Laufe der
permanenten Revision geprüft werden, wie sich das Netz am besten erweitern
lässt.
Dabei soll speziell nach Möglichkeiten gesucht werden, weniger
formalisierte Streitbeilegungs-verfahren, wie etwa die Mediation in das EEJ-Net
miteinzubeziehen - sofern sie den Grundsätzen gemäß der
Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2001 über die einvernehmliche
Streitbeilegung entsprechen. Diese zuletzt genannten Verfahren fallen bislang
nicht unter die Empfehlung von 1998.
In den kommenden Jahren wird die
Kommission weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den
zuständigen Stellen darauf hinwirken, dass optimale Lösungen und
Arbeitsverfahren zustande kommen. Geplant sind deshalb für die Dauer der
Pilotphase regelmäßige Treffen mit den Clearingstellen, auf denen
dann die Erfahrungen und erzielten Fortschritte besprochen werden.
Darüber hinaus ist eine "Gemeinsame Absichtserklärung"
vereinbart worden. Dieses sogenannte Memorandum of Understanding enthält
eine Art "Fahrplan", mit dem gewährleistet werden soll, dass die
beteiligten Clearingstellen mit der gebotenen Konsistenz und in enger
Abstimmung untereinander vorgehen.
Parallel dazu hat die Kommission
damit begonnen, gemeinsam mit den Clearingstellen die erforderliche technische
Unterstützungs-Infrastruktur aufzubauen. Diese enthält entsprechende
Internet-Tools, um den Clearingstellen die Arbeit zu erleichtern und die
Kooperation innerhalb des Netzwerkes zu vereinfachen.
Zum Abschluss der Pilotphase wird
die Kommission einen entsprechenden Bericht erstellen. Außerdem hoffen
wir, dann eine in größerem Rahmen angelegte Konferenz mit den
außergerichtlichen Einrichtungen einberufen zu können, um
umfassendes Feedback darüber zu gewinnen, wie EEJ-Net in der Praxis
funktioniert.
Dem Euro-Info Verbraucher wünsche ich in seiner Funktion als deutsche
Clearingstelle für EEJ-Net alles Gute.
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