Clearingstelle
Deutschland
EEJ-Net / FIN-Net
17.09.2002
Christian Moritz
Meine
Damen und Herren,
Zweck meiner Worte soll sein, Ihnen die Arbeit einer nationalen Clearingstelle
an Hand des Beispiels Clearingstelle Deutschland zu veranschaulichen und gleichzeitig
Berührungspunkte zu Ihrem Netzwerk darzustellen. Nach knapper Vorstellung
unseres Büros werde ich daher rasch dazu übergehen, das Verfahren
der Beschwerden zu erläutern. Hieran schließt sich ein kurzer Blick
auf unsere Statistik an. Dabei richtet sich unser genaues Augenmerk auf die
hier uns besonders interessierenden Fälle aus den Bereichen der Banken
und Versicherungen. Die Darstellung schließt mit dem Versuch, Synergien
zwischen beiden Netzwerken aufzuzeigen.
I. Vorstellung der Clearingstelle Deutschland
Die Clearingstelle Deutschland ist Anlauf-, Informations- und Vermittlungsinstanz
in einem. Diese Dienste bieten wir dem europäischen Verbraucher seit
Anfang 2002 an. Trägereinrichtung ist Euro-Info-Verbraucher e.V. in Kehl
in der Nähe zu Straßburg. Dabei kann die Clearingstelle auf die
zehnjährige Erfahrung der E-I-V in der Unterstützung europäischer
Verbraucher bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten aufbauen.
Die Clearingstelle verfügt über drei mehrsprachige Mitarbeiter,
darunter zwei deutsche Juristen und eine Fremdsprachenassistentin. Leiterin
ist Frau Dr. Anke de Villepin.
Schlagwortartig lassen sich die Aufgaben der Clearingstelle wie folgt umreißen:
- Bearbeitung.
Übersetzung und Überwachung von grenzüberschreitenden Verbraucherbeschwerden
- Info
zu Verbraucherschutzregelungen im In- und Ausland
- Vermittlung
von Schlichtungsverfahren (geringe Verfahrensgebühren) (die Clearingstelle
schlichtet nicht selbst, sondern vermittelt den Kontakt zwischen den Vertragspartnern
und in Frage kommenden Schlichtern)
II. Beschwerdemanagement
Zweck des Verfahrens ist die fortlaufende Betreuung des Verbrauchers bis zum
Erreichen einer nachvollziehbaren, raschen und nicht-kostenintensiven Streitbeilegung.
Hierzu gestalten wir den Gang des Verfahrens so einfach und verständlich
wie möglich. Insbesondere korrespondieren wir im Verhältnis zum
Verbraucher stets in seiner Landessprache.
In Zweifelsfällen kann die Frage der Zuständigkeit der Clearingstelle
eine Rolle spielen. Dem Beschwerdeführer ist nämlich in bestimmten
Fällen die Bedingung der Verbrauchereigenschaft vor Augen zu halten.
Anlass hierzu besteht, wenn es sich bei dem Streitgegenstand nicht um eine
Verbraucherstreitigkeit, sondern um einen Geschäftsvorfall handelt. Ein
solcher ist anzunehmen, wenn der in Rede stehender Vorfall der gewerblichen
oder selbständigen beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers
zuzurechnen ist. Eine weitere Maxime zum Tätigwerden liegt in dem notwendigen
Auslandsbezug des Beschwerdesachverhaltes. Denn die Mittel des Netzwerks dienen
der Lösung solcher Fälle, bei denen der Gewerbetreibende in einem
anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzland des beschwerdeführenden Verbrauchers
niedergelassen ist. Nur eine derartige Konstellation rechtfertigt die Hilfe
der Clearingstelle, da hier der Verbraucher seine Rechte nur ungleich schwerer
als ein Inländer durchsetzen kann. Hier sei lediglich beispielhaft die
Fremdsprachenproblematik und die fehlende Kenntnis der zur Verfügung
stehenden Rechtsmittel genannt. Neben der Verbrauchereigenschaft und dem Auslandsbezug
des Sachverhalts ist die (materielle) Berechtigung seiner Beschwerde Grundvoraussetzung
für die Unterstützung des Beschwerdeführers. Der vom Verbraucher
ins Feld geführter Anspruch und seine unterstützenden Unterlagen
werden daher zunächst auf Plausibilität und Vollständigkeit
geprüft. Eine rechtliche Beurteilung der Beschwerde erfolgt erst nach
Anhören des involvierten Unternehmers.
Angesichts des oben erwähnten notwendigen Auslandsbezugs stellt sich
prüfungsimmanent die Frage nach dem anwendbaren Recht. Hierbei handelt
es sich nicht immer um das dem Verbraucher vertrauten Recht des Wohnsitzlandes.
Erforderlichenfalls wird daher der Rat der Clearingstelle oder des Euroguichets
des betreffenden Landes eingeholt. Diese Problematik ist inzwischen dank der
Harmonisierung weiter Teile des Verbraucherrechts kraft Europäischer
Richtlinien zum Verbraucherrecht entschärft. Allerdings bestehen im Detail
nach wie vor aus unserer Sicht Harmonisierungslücken angesichts wichtiger,
noch bestehender nationaler Divergenzen. Hier seien exemplarisch unterschiedliche
Widerrufs- und Verjährungsfristen angemerkt.
Das Verfahren findet mit seiner Erledigung sein Ende. Die klassische Art der
Erledigung ist die des Schlichtungsspruchs. Viele Beschwerden erledigen sich
jedoch schon im Zuge einer ersten Anfrage an das Unternehmen oder, im weiteren
Verlauf, im unmittelbaren Vorfeld eines Schlichtungsverfahrens auf Grund Einlenkens
des Unternehmers. Einige Streitigkeiten lassen sich auch nach einfacher Aufklärung
von Missverständnissen sprachlicher Natur auflösen.
Ungelöste Fälle ergeben sich vornehmlich aus fehlenden Einverständniserklärungen
der betreffenden Unternehmer bezüglich der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens.
Gleiches gilt für die Fälle in denen es an einem zuständigen
Schlichtungsorgan mangelt. Dabei handelt es sich um ein immer wiederkehrendes
Problem. Denn in der Regel bedarf es der Mitgliedschaft des Unernehmens beim
Träger des Schlichtungsorgans. Darüber hinaus halten nicht alle
Wirtschaftszweige außergerichtliche Mechanismen zur Streitbeilegung
bereit. Oder deren Stellen genügen bislang nicht den Bedingungen der
gemeinschaftsrechtlichen Empfehlungen. Eine Lücke besteht unseres Wissens
nach auch im Bereich des Versicherungswesens, da bisher nicht alle am FIN-NET
beteiligten Staaten hierfür einen zuständigen Schlichter benannt
haben.
Doch selbst für den Fall der Nichterledigung stellt sich das Verfahren
als durchaus sinnvoll dar. Denn der Verbraucher ist sich - nach Unterstützung
seitens der Clearingstelle -zumindest über die Erfolgsaussichten einer
evtl. Klage bewusst und ist somit in die Lage versetzt, die damit verbundenen
Risiken ausreichend abzuschätzen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf
die Zweckmäßigkeit des Beschreitens des ordentlichen Rechtswegs
ist insbesondere dann angezeigt, wenn dem Verbraucher die Beweislast zufällt
und er seinen Anspruch ausschließlich auf mündliche Aussagen stützt.
III. Statistik
Die Vielzahl von Beschwerden und Anfragen zu grenzüberschreitenden Vorfällen
folgt aus der spezifischen Situation Deutschlands. Diese Situation ist geprägt
durch folgende Umstände:
Zentrale geographische Lage in Europa, sechs gemeinsame Grenzen mit anderen
EU-Staaten, 80 Millionen potentielle Verbraucher, weite Verbreitung des Internets,
Masse an Geschäfts- und Privatreisen im europäischen Ausland
Grundsätzlich trennen wir aus der Sicht der deutschen Clearingstelle
grenzüberschreitende Verbraucherbeschwerden in zwei Fallgruppen:
- deutscher
Verbraucher gegen ausländisches Unternehmen mit Niederlassung in
der EU und
- ausländischer
Verbraucher mit Wohnsitz in der EU gegen deutsches Unternehmer
Unserer Erfahrung nach wenden sich die deutschen Verbraucher unmittelbar an
uns, während die ausländischen Verbraucherbeschwerden von den jeweiligen
Clearingstellen an uns weitergeleitet werden.
Den Schwerpunkt der ersten Gruppe bilden Streitigkeiten aus den Bereichen:
Erwerb von Auslandsimmobilien, Einkaufen im Internet, Vertragsabschluss auf
Grund irreführender Werbung (Gewinnspiele), Timesharing, Pauschalreisen,
mieten von Ferienwohnungen, unfaire Allgemeine Geschäftsbedingungen,
buchen von Flugreisen
Die zweite Gruppe betrifft vor allem Beschwerden gegen deutsche Unternehmen
der Gebrauchtwagenbranche und des Internethandels.
Schadensregulierung durch Versicherungen bei Unfällen sowie Bankgeschäfte
sind beiden Fallgruppen zuzuordnen. Sie stehen mit gewisser Regelmäßigkeit
im Zusammenhang mit Beschwerden und erreichen zusammen einen prozentualen
Anteil von ca. 11 % am Gesamtaufkommen von Beschwerden. Diese beiden Bereiche
stehen im direkten Zusammenhang mit dem FIN-NET. Aus diesem Grunde komme ich
im weiteren Verlauf auf diese Bereiche ausführlich zurück.
Nahezu 80 % der Beschwerdeverfahren betreffen Beschwerden deutscher Verbraucher
gegen Unternehmen mit Niederlassung in der EU außerhalb Deutschlands.
Dabei verteilen sich die Beschwerden auf fast alle am EEJ-Netzwerk beteiligten
Länder. Die hier festzustellende Häufung von Verbraucherbeschwerden
bezüglich einiger Länder ist auf das Verhalten der Deutschen, die
bevorzugt nach Spanien reisen oder dort Zweitwohnsitze gründen, zurückzuführen.
Demgegenüber beruht der die Niederlande betreffende, verhältnismäßig
hohe Anteil von Beschwerden auf der Neigung zahlreicher deutscher Anrainer,
im Nachbarland einzukaufen.
Prozentuale Verteilung der Beschwerden nach Herkunftsland des Unternehmens:
Spanien: 37, Niederlande: 18, Italien: 10, Österreich: 8, Belgien: 6,
Frankreich:6, Griechenland: 4, Dänemark:4, Irland:4, Portugal:2, Großbritannien:
1
20 % der Beschwerdeverfahren haben Streitigkeiten zwischen (nichtdeutschen)
Unionsbürgern und deutschen Unternehmen zum Gegenstand. Dabei gelangen
aus fast allen EU-Staaten Beschwerden von Unionsbürgern über Vermittlung
der jeweiligen nationalen Clearingstellen zu uns. Die Häufung skandinavischer
Beschwerden erklärt sich vermutlich zum Teil aus der Anziehung, die der
deutsche Gebrauchtwagenmarkt auf skandinavische Verbraucher ausübt.
Prozentuale Verteilung der Beschwerden nach Herkunftsland der europäischen
Verbraucher: Schweden: 29, Norwegen: 26, Spanien: 11, Dänemark: 11, Österreich:
7, Finnland: 4, Belgien: 4, Frankreich: 4, Großbritannien: 4
Mit Wohlgefallen stellen wir insgesamt fest, dass Beschwerden querulatorischer
Art oder solche, die von überzogenen Rechtsvorstellungen getragen werden,
der Minderheit angehören.
IV. Bankgeschäfte
Natürlich auch die Clearingstelle beobachtet eine generelle Entwicklung
dahingehend, dass seit der Einführung der gemeinsamen Währung für
etwa 300 Millionen Europäer das Aufkommen an internationalen Vertragsbeziehungen
zwischen Verbrauchern und Banken steigt. Bei vielen grenzüberschreitenden
Geschäften unterschiedlichster Art ist der Verbraucher zur Durchführung
des Geschäfts auf die Dienste einer Bank angewiesen.
Da sich Fehler und menschliche Schwächen auch in Zukunft nicht ganz vermeiden
lassen werden, ist ein Ansteigen der absoluten Zahl der Beschwerden zu erwarten.
(Daneben wird ein Teil dieser Beschwerden angesichts der hohen Komplexität
und Abstraktheit von Bankgeschäften nach wie vor in Verständnisschwierigkeiten
des Verbrauchers begründet liegen.)
Die vorgenannte Häufigkeit internationaler Bankgeschäfte spiegelt
sich in ganz konkreten Beschwerden bei der Clearingstelle wieder und betreffen
eine Reihe von grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Wir waren bisher vor allem mit Fehlsummen bei Barabhebungen an Bankautomaten,
vereinzelt mit Unstimmigkeiten beim Online-Aktienkauf oder beim Abführen
von Kapitalsteuer durch die Bank befasst.
Bereits das Netzwerk der Euroguichets sowie die Trägereinrichtung der
Clearingstelle, namentlich Euro-Info-Verbraucher, sammelten in den letzten
Jahren Erfahrungen in den Bereichen der Finanzdienstleistungen.
So werden die erwähnten europäischen Anlaufstellen für Verbraucher
nicht nur bei genannten Sachverhalten zu Rate gezogen, sondern auch:
Bei allen Problemen des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs: mithin
doppelte Gebührenerhebungen, Höhe der Gebühren etc.
Aber auch der Bereich des Online Bankings: Beispiel aus dem vergangenen Jahr:
das Einstellen der Aktivitäten des Online-Angebotes einer frz. Bank auf
dem dt. Markt.
Ein weiteres Stichwort ist die grenzüberschreitende Geldanlage und Immobilienfinanzierung.
Sprach- und sonstige Verständnisprobleme deutscher Verbraucher bei Kauf
und Finanzierung einer Immobilie mit der (für sie neuen) ausländischen
Bank spielen auch eine große Rolle.
Aber nicht alle Verbraucher sind sich der Möglichkeit der Hilfeleistungen
der noch verhältnismäßig jungen Clearingstelle bewusst. Wir
betreiben daher durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, um den Bekanntheitsgrad
der Clearingstelle Deutschland und den des EEJ-Netzwerkes zu erhöhen.
Das von uns im Umgang mit Bankgeschäften angewendete Verfahren weicht
nicht vom üblichen Weg ab. So erhalten die Banken, gegen die sich Beschwerden
richten, ausreichende Gelegenheit, den Sachverhalt zu ermitteln und eine eigene
Stellungnahme abzugeben. Gleichzeitig wird auf die Möglichkeit der Durchführung
eines Schlichtungsverfahrens bei dem jeweils zuständigen Ombudsmann hingewiesen.
Die Praxis zeigt, dass unser Bemühen, die Streitigkeit auf außergerichtlichem
Wege zu bereinigen, von den meisten betroffenen Banken positiv aufgenommen
wird.
Dennoch gestalten sich die hier behandelten grenzüberschreitenden Fälle
zwischen Kunde und Bank ungleich schwieriger als solche zwischen Partnern,
die beide im selben Staat ihren Sitz haben. Denn im Gegensatz zu den meisten
Inlandsfällen fehlt in der Regel bei echten grenzüberschreitenden
Beschwerden zwischen den Streitparteien ein auf Dauer ausgelegtes, gegenseitiges
Austauschverhältnis. Ein solches Verhältnis fördert aber gütliche
Einigungsversuche, da im Zweifel ein wirtschaftliches Interesse der Bank besteht,
die Vertragsbeziehungen in Zukunft störungsfrei fortzusetzen und somit
den drohenden Verlust eines Kunden abzuwenden. In den oben genannten Konstellationen
sind Dauerschuldverhältnisse mit Banken außerhalb des Wohnsitzlandes
des Verbrauchers - zumindest bisher - die Ausnahme. Der Kontakt zwischen den
Beteiligten ist vielmehr einmaliger Natur. Das gilt insbesondere im Rahmen
von kurzen Auslandsaufenthalten, wenn beispielsweise ein Bankautomat fehlerhaft
arbeitet.
In der Zusammenarbeit mit dem FIN-NET möchten wir ein flexibles Verfahren
hinsichtlich der Art und Weise der Weiterleitung der Beschwerden mit bankrechtlichen
Bezügen praktizieren. Je nach Zweckmäßigkeit wird der zuständige
FIN-NET-Schlichter entweder unmittelbar oder mittelbar über den entsprechenden
deutschen FIN-NET-Schlichter angerufen. Es ist auch nicht ausgeschlossen,
den Vorfall über die nationale Clearingstelle des zuständigen FIN-NET-Schlichters
weiterzuleiten. Dabei werden wir von der Richtschnur der möglichst raschen
und effektiven Bearbeitung geführt. Eine Rolle spielt hierbei auch die
Notwendigkeit einer ersten rechtlichen Kommentierung des Beschwerdegegenstandes
zur Unterstützung der in der Regel nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer.
Dies geschieht zweckmäßigerweise durch die Clearingstelle des Landes
dessen Recht Anwendung findet. Natürlich kann die Weiterleitung über
den heimischen FIN-NET-Schlichter je nach Grad der Komplexität bankrechtlicher
Sachverhalte sinnvoller sein. So gehen wir davon aus, dass der heimische FIN-NET-Schlichter
in einem begründeten Fall bereit ist, die Beschwerde mit entsprechenden
Erläuterungen an sein ausländisches Pendant weiterzuleiten. Für
den Fall der drohenden Verjährung der fraglichen Ansprüche, wird
stets der zuständige FIN-NET-Schlichter direkt angerufen. Denn in der
Regel hat die Einleitung des Verfahrens die Hemmung der Verjährung zur
Folge.
Zu einem überwiegenden Teil konnte den Beschwerdeführern ohne förmliches
Schlichtungsverfahren zu einem zufrieden stellenden Ergebnis verholfen werden.
Daneben sind mehrere Verfahren bei Mitgliedern des FIN-NET anhängig.
Eine Bewertung dieser Verfahren wäre zum jetzigen Zeitpunkt ohne Kenntnis
des konkreten Ablaufs und des Ergebnisses rein spekulativ.
Eine Reihe uns vorliegender Beschwerden dreht sich um die Regulierung von
Unfallschäden. Dies betrifft in der überwiegenden Zahl Straßenverkehrsunfälle,
mitunter auch Sport- insbes. Skiunfälle.
Schon vor der Aufnahme der Arbeit der Clearingstelle war Euro-Info-Verbraucher
mit einer Reihe von deutsch-französischen Versicherungsfällen befasst.
Dabei spielte die positive Zusammenarbeit mit dem französischen Mediateur
für Versicherungsstreitigkeiten eine entscheidende Rolle, da sich mit
dessen Hilfe die Beschwerden der Verbraucher bereits im Vorfeld durch entsprechendes
Einwirken auf die beteiligten Versicherungen ausräumen lassen konnten.
Beispielhaft möchte ich folgende Sachverhalte, die der Clearingstelle
zugetragen wurden anführen: Ein irischer Fahrzeugführer beschädigte
in Frankreich das Wohnmobil eines deutschen Urlaubers. Dem Geschädigten
ist nur das amtliche Kennzeichen bekannt und die Regulierung scheint aussichtslos.
Ein anderer Unfall ereignete sich in Spanien unter Beteiligung eines Deutschen
und eines Spaniers. Der Geschädigte erhält auf seine Forderung nach
Regulierung seines Schadens keine Reaktion der gegnerischen Versicherung.
In ähnlichen Fällen wird seitens der Versicherung die Aussagekraft
der Unfallzeugen oder des ausländischen Schadensgutachtens pauschal in
Zweifel gezogen. Erschwerend kommt hier hinzu, dass im betreffenden Land kein
FIN-NET-Mitglied für Versicherungsangelegenheiten für Schlichtung
zur Verfügung steht.
Im Gegensatz hierzu sind für den umgekehrten Fall, namentlich dass ein
Unionsbürger im eigenen Land durch Verschulden eines Ausländers
zu Schaden kommt, dank des Europäischen Übereinkommens vom 20.04.1959
über obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (sogenanntes
Straßburger Abkommen) und des Systems der Grünen Karte länderübergreifende
Regulierungsmechanismen geschaffen worden. Damals war der Leitgedanke, dass
kein Verkehrsopfer in einem Land Europas dadurch schlechter gestellt werden
darf, nur weil der entstandene Schaden durch ein ausländisches Fahrzeug
verursacht wurde. Demgegenüber wurden die oben genannten Fälle vernachlässigt.
Damit sind solche Fälle gemeint, in denen ein Inländer ein ausländisches
Fahrzeug schädigt. Natürlich sollte auch hier kein Verkehrsopfer
dadurch schlechter gestellt werden, nur weil der Schaden im Ausland entstanden
ist.
In praktischer Hinsicht bereitet dem Verbraucher bereits die treffende Formulierung
seines Anspruchs gegenüber der ausländischen Versicherung beträchtliche
Schwierigkeiten. In rechtlicher Hinsicht verstärkt zudem die Anwendung
des ausländischen Rechts die Orientierungslosigkeit des Verbrauchers.
Nicht selten steht der Verbraucher nach Austragen eines Papierkriegs ohne
Anerkennung seines Anspruchs da. Zwar verspricht die Beauftragung eines ortsansässigen
Rechtsanwaltes zur Interessenvertretung gegenüber der Versicherung etwas
mehr Erfolg als ein eigenhändiger Kontaktversuch aus der Distanz. Dem
stehen jedoch weitere Kosten in Gestalt von Anwaltshonoraren gegenüber,
deren Übernahme die Versicherungen teilweise ablehnen. Freilich steht
dem Geschädigten im Ausland der ordentliche Rechtsweg offen. Indes bedingt
das hiermit verbundene Kostenrisiko auch hier eine Zurückhaltung der
Verbraucher. Die vorgenannten Hürden stellen sich insbesondere im Lichte
laufender Verjährungsfristen von Schadensersatzansprüchen als sehr
unvorteilhaft für den Geschädigten dar. Vor allem sehr kurze Fristen
von bis zu zwei Jahren gebieten rasche Auskünfte und Entscheidungen der
Beteiligten.
In der Gesamtschau erweist sich die Schadensregulierung eines Auslandsschadens
meist als langwierig und schwierig.
Die Anhäufung der weiter oben geschilderten Beschwerden verwundert indes
nicht.
Bereits in tatsächlicher Hinsicht ist das Potential für Konflikte
mit ausländischen Versicherungen erheblich. So ist die Mobilität
der Europäer ungebrochen, wobei das Automobil als Transportmittel sich
weiterhin großer Beliebtheit unter den Bürgern erfreut. Diese Mobilität
der Europäer ist als Ausdruck der Verwirklichung der gemeinschaftsrechtlichen
Freizügigkeit zu begrüßen. Allerdings ist die Zunahme der
Straßenverkehrsunfälle im Ausland die Kehrseite dieser Entwicklung.
So wird die Zahl der Verkehrsunfälle, bei denen EU-Bürger außerhalb
ihres Herkunftslandes geschädigt werden, auf etwa 500.000 jährlich
geschätzt.
Aber auch die bisherige Rechtslage und Praxis der Schadensregulierung bergen
Konfliktpotential in sich.
An dieser Stelle soll nicht unterschlagen werden, dass gelegentlich der Verbraucher
selbst unbeabsichtigt den Grundstein für eine verzögerte oder mangelhafte
Regulierung des Schadens legt. Beispiele für solche Fehler sind unvollständige
oder überzogene Anspruchsschreiben, falsch ausgefüllte Unfallberichte,
oder Versäumnisse, alle Daten des Unfallgegners, seines Fahrzeugs und
seiner Haftpflichtversicherung zu notieren.
Auf der verhältnismäßig sicheren Seite ist dagegen ein Geschädigter,
wenn er neben einem eindeutigen und vollständigen europäischen Unfallbericht
quittierte Reparaturrechnungen mit guten Unfallfotos vorlegt. Das setzt indes
voraus, dass der Geschädigte mit den Reparaturkosten in Vorleistung tritt.
Außerdem muss der Geschädigte eventuell Abstriche in Form einer
Reduzierung des Reparaturbetrags auf das Niveau des Unfalllandes dulden.
Konflikte finden aber auch in der fehlenden Einheitlichkeit des Schadenersatzrechts
der einzelnen Mitgliedstaaten ihren Ursprung. Dies betrifft u. a. die Behandlung
der Wertminderung des beschädigten Fahrzeugs, der fiktiven Reparaturkosten,
der Nutzungsausfallentschädigung, der Finanzierungskosten, des Verdienstausfalls,
der Anwaltskosten, der Mietwagenkosten und der weiteren Unkosten durch Porti
und Telefon.
Gleiches gilt für den Nachweis zur Schadenshöhe. Hier variieren
die Richtmaße für die Regulierung der Schäden zwischen Besichtigung
des beschädigten Kfz, Sachverständigengutachten und einfachen Kostenvoranschlag.
Hieran schließt sich die Frage nach der Erstattung der Gutachterkosten
an, die auch uneinheitlich beantwortet wird.
Mit Unverständnis begegnen viele Petenten dem Umstand, dass sie weniger
Schadensersatz als in ihrem Heimatstaat erhalten. Dies gilt insbesondere dann,
wenn sie hiermit zu Hause eine Reparatur oder ein Ersatzfahrzeug nicht vollständig
finanzieren können. Die vorherrschende Regel des internationalen Privatrechts,
nach der das Recht des Unfallortes Anwendung findet, erscheint einem Laien
nicht unbedingt einsichtig. Diese Haltung ist dem Betreffenden nicht zu verdenken.
Denn aus praktischen Gründen ist er in aller Regel gehalten, seinen Schaden
im Heimatstaat zu regulieren.
Auch auf der Ebene der Durchsetzbarkeit der jeweiligen Ansprüche hat
der Geschädigte entscheidende Differenzen zu berücksichtigen. Die
Verjährungsfrist läuft in der EU in einer Bandbreite von einem Jahr
in Spanien und 30 Jahren in Luxemburg. Darüber hinaus wird die wichtige
Frage nach der Möglichkeit, die Verjährung zu hemmen oder zu unterbrechen
von den nationalen Regelungen unterschiedlich entschieden. Als solche Akte
kommen beispielsweise in Betracht: Vergleichsangebote der Gegenseite, förmlich
zugestellte Zahlungsaufforderungen, Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
und Güteverhandlungen. Ferner kann der Schadensausgleich auch auf Grund
von Beweisschwierigkeiten scheitern. So werden in zahlreichen Ländern
Verwandte und Fahrzeuginsassen als Zeugenbeweismittel nicht ausreichend anerkannt.
Selbst die Vorlage von Lichtbildern kann die Beweisnot nicht immer beseitigen.
Im Gegensatz zum Haftungsrecht bestehen auf dem Gebiet des Versicherungsrechts
schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs Bestrebungen zur Harmonisierung. Dabei
handelt es sich mit der Einrichtung eines Entschädigungsfonds, der Einführung
eines Direktanspruchs gegen den Versicherer und der Sicherstellung von Mindestdeckungssummen
um wichtige Verbesserungen zu Gunsten des Geschädigten.
Aufmerksam werden wir die tatsächlichen Auswirkungen der Vierten Europäischen
Kraftfahrzeugrichtlinie verfolgen. Nach deren vollständiger Umsetzung
in die nationalen Rechtsordnungen bzw. mit entsprechender Berücksichtigung
in der Versicherungspraxis werden einige Beschwerdetypen der Vergangenheit
angehören.
Zur Beseitigung oben genannter Probleme (Verständigungsschwierigkeiten,
kurze Verjährungsfristen und unvollständige Unfalldaten) sollen
folgende Neuregelungen beitragen:
- Präsenz
des Versicherers im Wohnsitzland des Geschädigten durch Bestellung
eines sog. Schadensregulierungsbeauftragten,
- Einrichtung
von Regulierungsfristen,
- Errichtung
einer Auskunftsstelle und
- Einrichtung
einer Entschädigungsstelle für die Fälle, in denen ein
Schadensregulierungsbeauftragter nicht benannt wurde oder dieser innerhalb
einer bestimmten Frist nicht tätig wurde.
Im übrigen besteht im Hinblick auf Handhabung und Weiterleitung der Beschwerden
kein relevanter Unterschied im Vergleich zu den Beschwerden bankrechtlicher
Art. Insoweit wird auf die Ausführungen von oben verwiesen.
VI. Konklusion
Dieser Report als auch die Beteiligung an der heutigen Sitzung des FIN-NET
dienen der guten Zusammenarbeit zwischen EEJ- und FIN-NET. Regelmäßig
werden Informationen und Erfahrungen ausgetauscht. Beide Netzwerke, inklusive
ihrer einzelnen Glieder, ergänzen sich und profitieren von der jeweiligen
spezifischen Kompetenz des Netzwerkes.
Auf der einen Seite wirkt die Clearingstelle dank ihres direkten Kontakts
zu den Hilfe suchenden Verbrauchern als Bindeglied zwischen Beschwerdeführer
und Schlichter zu wirken.
Daneben erweist sich die Clearingstelle als Informationslieferant und Sensor.
So werden auch Bagatellfälle und solche Fälle, die ohne Schlichtungsverfahren
gelöst werden, ausgewertet. Eine derartige Evaluierung verschafft uns
und, durch Weitergabe, dem FIN-NET einen Überblick über Schwachstellen
im Bereich der Finanzdienstleistungen. Schließlich dient die Clearingstelle
als Sprachrohr. Das bedeutet, dass Medienkontakte zur Sensibilisierung der
Verbraucher hinsichtlich bestimmter problematischer Tatbestände aus dem
Bereich der Finanzdienstleistungen genutzt werden.
Auf der anderen Seite bauen die Clearingstelle mit dem FIN-NET auf einen kompetenten
Partner im so wichtigen Bereich wie dem der Finanzdienstleistungen. Das Personal
der Clearingstellen greift bereitwillig auf die Spezialkompetenz des FIN-NET
für den Bereich der Finanzdienstleistungen zurück. In anderen Branchen
(Reisen, Immobilien, Timesharing, Kfz, Handel etc.) gestaltet sich die Zusammenarbeit,
auf Grund fehlender nationaler oder internationaler Netzwerke zwischen den
Schlichtern, weniger einfach.
Die Clearingstelle sieht der weiteren Zusammenarbeit mit dem FIN-NET zuversichtlich
entgegen. Jedenfalls ist die Grundlage hierfür vorhanden. Denn beide
Netzwerke verfolgen gemeinsame Ziele: Wiederherstellung des Rechtsfriedens
und Steigerung des Vertrauens des Unionsbürgers in die Funktionsfähigkeit
des gemeinsamen Marktes.