8. März 2002, Eröffnung der Clearingstelle Deutschland in Kehl

 

 

 

 

 

 

 

Heute ist ein wichtiger Tag für die Verbraucher, nicht nur bei uns oder in unserem Nachbarland Frankreich; die Eröffnung der Clearing-Stelle Deutschland im Europäischen Netz für die außergerichtliche Streitbeilegung hier in Kehl ist vielmehr ein wichtiges Ereignis für die Verbraucher in ganz Europa.



I.

Ich habe die Entscheidung für Kehl, die Entscheidung, dass die im "European Extra-Judicial Network - EEJ-Net -" so wichtige Clearing-Stelle Deutschland hier in Kehl sein soll, ganz bewusst getroffen.
Natürlich hat es viele gegeben, die für Kehl gesprochen haben: Der Oberbürgermeister Dr. Petry, Frau Drobinski-Weiss, mit der ich seit langem gut zusammen arbeite, die Abgeordneten des Bundes- und des Landtages.
Sie alle haben Recht, wenn sie darauf hingewiesen haben,


Sie haben alle Recht,

In der Tat war die langjährige gute Arbeit dieses deutsch-französischen Vereins für mich ein entscheidender Grund, dem Verein auch die wichtige Aufgabe der deutschen Clearing-Stelle im EEJ-Netzwerk anzuvertrauen.
Der Verein Euro-Info-Verbraucher und die Clearing-Stelle werden von den verantwortlichen Institutionen getragen, die lokal, regional und national in unseren beiden Ländern mit Fragen des Verbraucherschutzes befasst sind:

mit unserer Schwerpunkt-Verantwortung für Fragen des Verbraucherrechts tragen sie auch.


Unübersehbar und dankenswerterweise mit im Boot ist auch die EU-Kommission.

Sie hat mit ihrem Anteil von 50 % bei der Anschubfinanzierung der Clearing-Stelle ein klares Signal gesetzt. EU-Kommissar Byrne, der Verantwortliche für den Verbraucherschutz in der Kommission, hat beim Startschuss für das Netzwerk im Oktober 2001 auf den Punkt gebracht, wie wichtig auch ihr ein funktionierendes EEJ-Netzwerk ist:


"Das Vertrauen der Verbraucher ist entscheidend für das Funktionieren eines modernen und wettbewerbsfähigen Binnenmarktes. Und das EEJ-Netzwerk ist ein unerlässliches Element zur Schaffung dieses Vertrauens."

So ist es, denn was nützt ein Binnenmarkt, der mit den verlockendsten Angeboten und Preisen winkt und wirbt, den Verbraucher im Konfliktfall jedoch hilf- und ratlos sozusagen auf hoher See aussetzt?


Heute wollen immer mehr Verbraucher - und das ist ja die Idee des europäischen Binnenmarktes und auch der weltweiten Vereinbarungen - die neuen Möglichkeiten nutzen, Waren oder Dienstleistungen im Nachbarland oder, über das virtuelle Surfbrett Internet, in aller Welt zu beschaffen.
In Schweden zum Beispiel nutzt schon heute jeder Zweite das Internet für Online-Bestellungen - jeder Surfer gibt dabei im Schnitt jährlich 500 Euro aus.


Bei uns in Deutschland - wir sind bekanntlich weltweit Spitzenreiter im guten alten Versandhandel - nutzen mittlerweile 30 Millionen Menschen regelmäßig das Internet. In diesem Jahr werden gut 5 Millionen neue Nutzer hinzukommen.
Der elektronische Handel hat im letzten Jahr in unserem Land einen Umsatz von rund 20 Milliarden EURO erzielt; dies ist Platz 1 in Europa.

Diesen verlockenden Angeboten und neuen Chancen für Wirtschaft und Verbraucher in Europa stehen natürlich neue Risiken gegenüber:

Die Clearing-Stelle Deutschland hat mir den typischen Fall von jenem österreichischen Verbraucher erzählt, der in echte Probleme geraten ist: Er hatte auf einer Messe in München ein Softwareprogramm kennen gelernt, das ihm so gut gefiel, dass er es sogleich frohgemut telefonisch bei der französischen Herstellerfirma bestellte.
Es kommt, wie es in einer solchen Geschichte kommen musste: Das gelieferte Programm war fehlerhaft. Was tut unser österreichischer Kunde? Er spricht mit dem Verkäufer, mit dem er in Deutschland nach wie vor Kontakt hat. Kein Problem, sagt dieser und kündigt bei Rücksendung der Software Rückgabe des Geldes an. Doch das Geld kommt nie an. Der Verkäufer weist nun alle Ansprüche des Österreichers zurück, ist aber in Deutschland vorsichtshalber nicht mehr erreichbar.
Viele Probleme - kein Vorbild für vertrauenswürdiges Verhalten im Binnenmarkt.

Jetzt aber kommt die Clearing-Stelle ins Spiel mit ihren guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Ihnen ist es gelungen, ein echtes Happyend in die Wege zu leiten. Nach Rücksprache mit dem Clearing-Haus in Österreich haben Sie in Frankreich den Vertragspartner unseres österreichischen Verbrauchers kontaktiert und der zahlte dann direkt an den Verbraucher.

Nicht einmal die Einschaltung eines Schlichters war erforderlich. Allen drei Beteiligten war geholfen: Dem österreichischen Verbraucher, der auch in Zukunft wieder auf dem Binnenmarkt einkaufen gehen wird; dem französischen Softwarehersteller, dessen Produkt jetzt nicht mehr in ganz Europa schlecht geredet wird, und uns als Einwohner des Handelsplatzes Deutschland auch, denn hier ist das Geschäft schließlich angebahnt worden.

Das ist ein erfreulicher Start, so muss das laufen.

Ich hoffe sehr, dass auch die weiteren 39 Reklamationen, die seit Januar 2002 schon in der Clearing-Stelle eingegangen sind, auf ähnlich erfolgreiche Weise gelöst werden können.

Natürlich gibt es auch richtig verzwickte Fälle, aber genau da muss dann die Clearing-Stelle zu voller Form auflaufen.


Das kann bei einem Skiunfall erforderlich sein, bei dem ein Deutscher mit einem holländischen Skifahrer zusammen stößt, und das in einem Skigebiet in Italien - oder bei den kniffligen deutsch-französischen Fällen, die der Verein Euro-Info-Verbraucher schon seit Jahren bestens löst:
Uneingeschränkter Spitzenreiter bei den französisch-deutschen Reklamationen war 2001 der Gebrauchtwagenkauf, gefolgt vom Immobilienkredit und der Geldanlage, während umgekehrt aus Deutschland vor allem Beschwerden zu Bankgebühren, zu Immobilienmietverträgen und Handwerkerleistungen beim Wohnen, Einrichten und Renovieren eingegangen sind.

 

II.



Ich glaube, wir alle haben mittlerweile realisiert, dass wir in der EU und in vielen Mitgliedstaaten, darunter gerade auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, auch bei der rechtlichen Ausgestaltung des Verbraucherschutzes auf gutem Wege sind. Ich komme darauf zurück.

Wir alle wissen aber auch, dass auch an gut ausgebauten Wegstrecken Informations- und Notrufsäulen nötig sind: Das genau sind die Clearing-Stellen. Diese Clearing-Stellen sind wichtig, um die Verbraucher über ihre Rechte zu informieren; über die EU-weiten und über die jeweils in den Mitgliedsstaaten bestehenden Regelungen.

Der Verbraucherschutz bildet einen wichtigen Schwerpunkt der Politik der EU, dennoch werden die Regelungen in den Mitgliedstaaten im Einzelnen durchaus unterschiedlich ausbuchstabiert: In Frankreich in der Tradition des Code Napoleon, der seit 1804 die Grundlage des französischen Zivilrechts bildet, in Großbritannien unter der Herrschaft des Case Law.
Ein kleines Beispiel dafür bildet das mittlerweile berühmte Plädoyer von Lord Richter Atkin vor genau 70 Jahren, der die wechselseitigen Sorgfaltspflichten aus dem biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter hergeleitet hat. In jenem legendären Verfahren ging es übrigens um eine klassische Verbraucherschutzfrage: ein Kunde hatte nach mehreren Schlucken feststellen müssen, dass sich in seinem Bier eine alte Schnecke befand und fürchtete zu Recht um seine Gesundheit.


So kann man das auch machen - der europäische Verbraucher braucht jedoch Informationen, er braucht die europäische Verbraucherberatung, wie er sie beim Euro-Info-Verbraucher e. V. und jetzt auch bei der Clearing-Stelle kompetent bekommt:

In der Vergangenheit war die Nachfrage nach Informationen erheblich größer als die Zahl der Reklamationen: Im Jahre 2000 etwa hatten rund 6000 Bürger konkrete Fragen, während rund 2400 Verbraucher mit einer Beschwerde kamen.

 

III.

Mit dem EEJ-Netzwerk fördern wir ganz bewusst die außergerichtliche Streitbeilegung.

"Schlichten ist besser als Richten."

Dieser Satz gilt in sehr vielen Bereichen, das wissen wir längst. Schlichten sollte - in geeigneter Weise und an den geeigneten Stellen - als grundlegend wichtiger Grundsatz noch stärker Eingang in die Rechtskultur finden.

Wir haben das 1999 mit dem Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung versucht, das den Bundesländern seit dem 1. Januar 2000 die Möglichkeit gibt, für bestimmte bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vor die Zivilgerichte zu stellen.

Einige Bundesländer haben spezifische Regelungsgesetze erlassen, die unterschiedliche Wege gehen. Über deren Wirkungen hört man Unterschiedliches; die Erfahrungen werden in einiger Zeit vorliegen; möglicherweise muss man nachjustieren, um die Chancen der Schlichtungsverfahren für viele Fälle des täglichen Lebens wirklich zu nutzen.

Auch im Gerichtsverfahren selbst haben wir den Gedanken der Streitschlichtung durch die seit Anfang Januar dieses Jahres geltende ZPO-Reform fester verankert: Ich begrüße folglich ganz außerordentlich, dass auch das EEJ-Netzwerk die außergerichtliche Streitbeilegung schwerpunktmäßig in den Mittelpunkt stellt: Statt mit seiner Reklamation quer durch Europa zu den Gerichten zu irren, kann der Verbraucher sich an seine nationale Clearing-Stelle wenden,

Auch wenn das nicht zwangsläufig zu dem glücklichen Ende unseres französischen Software-Falles führen muss, so erhöht die Einschaltung der Clearing-Stelle doch die Chancen der Beteiligten, der Weg ist richtig und wichtig.

IV.

Informationen und Hilfen - das bieten die Clearing-Stellen in außerordentlich nützlicher Weise. Dennoch aber wäre es übertrieben, den Eindruck stehen zu lassen oder zu verbreiten, der europäische Verbraucher befinde sich schutz- und hilflos auf hoher See, wenn er grenzüberschreitend Geschäfte tätigt; sozusagen konfrontiert mit 15 verschiedenen Rechtsordnungen in der EU und mit Verkäufern, die nicht mehr greifbar sind oder gar abgeschreckt von den weiten Entfernungen.

Gerade im Europa des gemeinsamen Binnenmarktes haben wir bereits einen beachtlichen gemeinsamen Standard im Verbraucherschutz erreicht:

Das liegt nicht allein an den nationalen Rechtsordnungen, aber auch hier müssen sich zum Beispiel weder Frankreich noch Deutschland verstecken. Wir in Deutschland haben z. B. jetzt gerade wieder die Rechte des Verbrauchers bei der großen Schuldrechtsmodernisierung gestärkt: Jetzt müssen sich Verkäufer zum Beispiel an ihrer Produktwerbung messen und festhalten lassen, die Garantiezeiten sind verstärkt und verlängert worden und wesentliche Verbraucherschutzgesetze, wie etwa das Haustürwiderrufsgesetz oder das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sind gut lesbar im Bürgerlichen Gesetzbuch integriert.

In der EU haben wir namentlich seit der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie ein europaweit harmonisiertes Mindestniveau an Verbraucherschutz

Diesen Trend setzt die E-Commerce-Richtlinie fort, die wir Ende letzten Jahres umgesetzt haben: Zum Schutz der Nutzer von Telediensten gibt es allgemeine Transparenzpflichten und besondere Informationspflichten, die sämtliche Formen der Werbung, des Direktmarketings, des Sponsorings, der Verkaufsförderung und der Öffentlichkeitsarbeit einschließen. Der Anbieter muss vor allem für den Verbraucher gut erreichbar sein, sowie klar und umfassend über sich informieren. Zur Förderung der Durchsetzung dieser Pflichten enthält unser Gesetz eine Bußgeldvorschrift, die sicherstellt, dass die Informationen von dem Diensteanbieter richtig und vollständig verfügbar gehalten werden.

Das ist gut und wichtig.

Denn das Vertrauen der Verbraucher ist unabdingbare Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Informations- und Kommunikationstechniken und die volle Entfaltung ihres wirtschaftlichen Nutzens, mit allen Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungschancen.

Der Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft ist uns so wichtig, dass wir in der Richtlinie und dementsprechend im Gesetz die bewährten Grundsätze des Verbraucherrechts von der Geltung des Herkunftslandprinzips ausgenommen haben.

Der Internetanbieter aus Straßburg z.B. kann sich danach gemäß dem Herkunftslandprinzip zwar grundsätzlich darauf verlassen, dass seine Leistung nach französischem Recht beurteilt wird, auch wenn sein Kunde in Kehl sitzt. Es gelten aber trotzdem die deutschen Vorschriften in Bezug auf Verbraucherverträge.

Damit können sich die Verbraucher im E-Commerce darauf verlassen, auch dann den gewohnten Schutz zu genießen, wenn sie Teledienste aus anderen EU-Staaten in Anspruch nehmen.

Auch die Überweisungsrichtlinie, die Zahlungsverzugsrichtlinie und natürlich die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie haben den Verbraucherschutz in Europa gestärkt.

Aber es gab auch viele Ungereimtheiten: Noch vor wenigen Monaten hätte ich nicht gewusst, wie ich einem Verbraucher hätte erklären sollen, dass er - wenn er einen Fernseher in Frankfurt kauft - nur eine Gewährleistungsfrist von 6 Monaten hat, wenn er dagegen denselben Fernseher in Amsterdam kauft, sich für seine Mängelansprüche 3 Jahre Zeit lassen kann. Seit dem 1. Januar 2002 ist auch bei uns mit der Inkraftsetzung der Schuldrechtsmodernisierung dieses Problem gelöst, ist auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt.

Die Richtlinie war im Mai 1999 unter deutscher Präsidentschaft zur Schaffung eines vereinheitlichten Kaufrechts in Europa beschlossen worden. Jetzt haben wir - nach dem Ende der Umsetzungszeit - in dem für den Verbraucher zentral wichtigen Bereich des Kaufrechts in Europa die selben Rahmenbedingungen. Wo auch immer der Käufer also jetzt seinen Pkw kauft, kann er sicher sein, dass er überall die selben Mängelansprüche hat und dass diese frühestens in zwei Jahren nach Lieferung des Pkws verjähren.

Es macht auch keinen Unterschied mehr, ob ein französischer oder ein deutscher Hersteller Werbeaussagen zu einem bestimmten Pkw-Modell trifft: Sichergestellt ist für den Verbraucher in jedem Fall, dass er auch den Händler für solche Aussagen haftbar machen kann, und zwar unabhängig davon, ob er seinen Pkw in Frankreich, Holland oder Deutschland kauft. Die Anstrengungen bei der Erarbeitung der hervorragenden Regelungen der Schuldrechtsmodernisierung und die bei ihrer politischen Durchsetzung haben sich gelohnt. Schon zwei Monate nach ihrem Inkrafttreten sind die neuen Vorschriften des Schuldrechts fast zum Alltag geworden.

Der deutsche Einzelhandel hat bereits im Weihnachtsgeschäft, also bevor die verbraucherfreundlichen neuen Gewährleistungsfristen in Kraft waren, damit Werbung gemacht: "Wir geben schon jetzt Garantie nach neuem Recht" hieß es in Anzeigen, im Fernsehen, im Internet.

Da wollten auch die Juristen aller Beratungsberufe nicht zurückstehen: Geräuschlos und unaufgeregt haben sie das neue Recht umgesetzt und in die Vertragspraxis eingearbeitet. Gerichte, Anwälte und Justitiare in den Unternehmen haben das mit gewohnter Professionalität in Angriff genommen und sind zu einem ganz großen Teil schon so weit eingearbeitet, dass man gar nicht merkt, dass das neue Recht erst seit gut 2 Monaten gilt. Die Strukturen des neuen Rechts und die eingetretenen Vereinfachungen werden immer selbstverständlicher.

Ich denke, wir alle sind uns auch bewusst, dass gemeinsame verbraucherrelevante Standards nicht nur im europäischen Rechtsraum und auch nicht nur im Kaufrecht bestehen und wichtig sind.

Wir haben ja die nötige Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und der anderen europarechtlichen Regelungen zum Anlass genommen, das Schuldrecht als Ganzes zu reformieren und dabei die internationalen Standards, wie z. B. das UN-Kaufrecht, oder auch die von Expertengruppen, wie etwa der Lando-Kommission, ausgearbeiteten "European Principles" einbezogen.

Übrigens ist dieses moderne verbraucherfreundliche Schuld- oder Vertragsrecht in Deutschland jetzt schon wieder zum Exportschlager geworden: Transformationsstaaten bis hin zur Mongolei haben es schon jetzt für sich übernommen - oder sind gerade dabei. Und die deutschen Regelungen sind zusätzlich eine gute Grund- und Diskussionsvorlage für ein europäisches Zivilgesetzbuch, das - zumindest mit dem Teil des Vertragsrechts - spätestens seit dem Europäischen Rat von Tampere im Jahre 1999 auf der politischen Tagesordnung der EU steht.

Es wird sicherlich noch etliche Jahre dauern - aber die EU-Kommission hat vor wenigen Monaten wenigstens damit angefangen, die Mitgliedstaaten nach ihren Auffassungen zu Wegen und Chancen für das "Projekt" eines europäischen Vertragsrechts zu befragen. Die Antworten aus den Mitgliedsstaaten waren - wer hätte es anders erwartet - sehr unterschiedlich.

Aber irgendwann wird der Weg dorthin gangbar sein - und wir können mit unseren verbraucherfreundlichen, europakompatiblen und modernen Regelungen an vorderster Stelle in diesen Diskussionen mithalten.

V.

Lassen Sie uns aber nicht zu bescheiden sein: Wir wollen auch in weiteren Bereichen über den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa reden und diesen Schutz ausbauen. Wir alle sind Verbraucher, gleich ob wir daneben Unternehmer, Arbeitnehmer oder Freiberufler sind.

Es geht um unsere Interessen gerade auch im Bereich des Wettbewerbsrechts. Im letzten Jahr haben wir ja mit Blick auf Europa das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung abgeschafft. Das hat uns viel Zustimmung und Unterstützung eingebracht - allerdings sind auch Zweifel lautgeworden, weil ja immer wieder neue Problemfälle auftauchen.

Die Wirtschaft lässt sich immer wieder Neues einfallen, um auf sich und ihre Produkte aufmerksam zu machen. Dagegen spricht an sich nichts, solange Informationen im Vordergrund stehen und die Grenzen zwischen zulässigen Werbeaktionen und dem Missbrauch herausgehobener Marktpositionen eingehalten werden.Das - und darüber haben alle Medien breit berichtet - war gerade in den letzten Monaten nicht immer der Fall.

Und jetzt rufen einige noch lauter nach der Abschaffung des Wettbewerbsrechts, möglichst des gesamten Wettbewerbsrechts.Das halte ich für falsch - auch in diesem Bereich sollten wir jedoch genau nachschauen, was wir wollen und wo alte Zöpfe abgeschnitten werden können.

Ich will zum Beispiel nicht, dass die großen Ketten ihre kleinere Konkurrenz durch Preisdrückerei weiter vom Markt vertreiben. Das schadet unserer mittelständischen Struktur - und auch den Interessen der Verbraucher.

Ich habe deshalb schon im letzten Jahr - im Zusammenhang mit der Streichung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung - eine Gruppe von Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Bereichen eingeladen, natürlich auch die Vertreter der Verbraucherschutzorganisationen, uns bei der Reform des Lauterkeitsrechts zu beraten.

Die Reform des Rechts des lauteren Wettbewerbs soll - eigentlich unnötig zu betonen - nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisch orientiertes und abgestimmtes Projekt sein. Auch in der EU sollten wir das Wettbewerbsrecht möglichst in allen wichtigen Punkten harmonisieren. In diesem Punkte neige ich der Auffassung des für den Verbraucherschutz zuständigen Kommissars der EU zu. Allerdings gibt es wohl innerhalb der EU-Kommission noch unterschiedliche Überlegungen und Konzepte.

Ich kann nur abraten, den lauteren Wettbewerb nur bei der Verkaufsförderung im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr in den Blick zu nehmen. Wer diesen "Baustein" allein herausbricht, fördert zumindest die Rechtszersplitterung. Und schiebt die EU-Verbraucherinteressen unangemessen weit nach hinten.

VI.

Der Platz der Verbraucherinnen und Verbraucher im gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, soll gesichert und komfortabel sein. Das müssen wir erreichen. Das können wir auch erreichen. Das EEJ-Netzwerk hilft dabei in vielfältiger Weise. Gerade auch hier in der deutschen nationalen Clearing-Stelle wird den engagierten und fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Arbeit nicht ausgehen:

Es gibt gerade in unseren beiden Ländern Frankreich und Deutschland liebevolle Spötter, die gern und immer wieder darauf hinweisen, dass vor allem auch die Lust am Rechtsstreit zu unseren Rechtstraditionen gehöre. In Deutschland hat Tucholsky, auch ein Doktor der Rechte, bekanntlich über seine Landsleute gespottet:

"Wenn ein Deutscher auf dem Trottoir ausrutscht, steht er nicht auf, sondern schaut sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist".

Und bei unseren französischen Freunden erzählt man sich die hübsche Geschichte von jenem Advokaten, der sich mit folgenden Worten an seinen Sohn und Nachfolger gewandt haben soll:

"Mein Lieber, den Nachbarstreit zwischen den törichten Familien Rochard und Dupont habe ich von meinem Vater geerbt und überlasse ihn jetzt Dir zu treuen Händen. Hüte ihn gut."

Das, so wollen wir festhalten, muss nicht sein. Ansonsten aber wünsche ich der Clearing-Stelle alles Gute.

Glückauf!