« Meine Damen, meine Herren,
Wie die von meiner Kollegin Frau Schmidt vorgestellte e-Commerce-Verbindungsstelle ist auch die Clearingstelle im Auftrag des Bundesjustizministeriums beim Verein Euro-Info-Verbraucher e.V. angesiedelt.
Die
Worte „Clearingstelle“ und „Schlichtungsstelle“ werden
Ihnen in meinem Vortrag häufig begegnen. Man kann es drehen und wenden
wie man will - diese Begriffe stehen und bleiben nun einmal im Zentrum
unseres Interesses und damit auch dieses Vortrags.
Für den Begriff „Schlichtungsstelle“ empfehle ich den Dolmetschern
die Verwendung des englischen Akronyms „ADR“-body was für
„Alternative Dispute Resolution - body“ steht. In meinem Vortrag
will ich es bei den deutschen Bezeichnungen bewenden lassen.
Ich will nicht viele allgemeine Worte zum Umfeld der Clearingstelle verlieren, sondern anhand von Erfahrungsberichten die verschiedenen Konstellationen in den Beschwerdeverfahren aufzeigen. In diesem Kontext werde ich gelegentlich den Blick auf die Zuständigkeiten und Verfahren der Schlichtungsstellen lenken.
Auf den Punkt gebracht, funktioniert die Clearingstelle als Schaltstelle zwischen suchenden Verbrauchern, involvierten Unternehmen und Stellen, die Schlichtung anbieten.
Unsere
bisherigen Erfahrungen zeigen, dass bereits die Einschaltung der Clearingstelle
in der Eigenschaft als dritte Partei den Weg zu einer außergerichtlichen
Beilegung ebnen kann und so die Streitigkeit nicht unbedingt ein formelles
Verfahren vor einer Schlichtungsstelle erfordert.
Die Einschaltung der Clearingstelle verläuft wie folgt:
Die Clearingstelle kontaktiert das involvierte Unternehmen unter Angabe des
Begehrens des Verbrauchers sowie des dem zugrunde liegenden Sachverhalts.
Gleichzeitig wird die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei einer
bestimmten Schlichtungsstelle vorgeschlagen.
Die hierauf folgende Resonanz fällt ganz unterschiedlich aus.
Es gibt im Wesentlichen drei Fallgruppen:
1. Unseriöse Geschäftemacher gerade im Bereich des Online-Handels
hüllen sich in Schweigen.
2. Andere wenige Unternehmen beharren zwar auf ihrem Standpunkt, erklären
sich jedoch fairerweise mit der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens
zur neutralen Klärung des Streits einverstanden.
3. In einer anderen häufig vorkommenden Variante antworten Unternehmen
mit einem konkreten akzeptablem Angebot, sei es in Form einer Entschädigung,
Preisminderung oder Nachbesserung - ganz ohne Rückgriff auf das
vorgeschlagene Schlichtungsverfahren.
Hierbei spielt die Sorge des Unternehmens um sein Ansehen eine erhebliche
Rolle.
Denn mit Beteiligung der Clearingstelle und mit dem sodann im Raum stehenden
konkreten Angebot zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens, verlässt
der Rechtsstreit die Sphäre des bislang rein privaten Zwei-Parteien-Verhältnisses
und entwickelt sich zunehmend zum Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung.
Doch
zurück zu den Aufgaben der Clearingstelle im Rahmen der Abwicklung einer
Verbraucherbeschwerde. Ganz grob skizziert, fördert die Clearingstelle
die außergerichtliche Streitbeilegung durch fremdsprachlicher Hilfestellung,
Rechtsberatung (im Rahmen des Rechtsberatungsgesetzes), Kontaktaufnahme zum
beteiligten Unternehmen sowie Vermittlung von Schlichtungsverfahren mit begleitender
Betreuung.
Bedienen wir uns zur weiteren Veranschaulichung der Arbeitsweise der Clearingstelle
eines Beispiels:
Ein Verbraucher aus Deutschland hat einen anfänglich unerkannten Defekt
an seinem in Belgien erworbenen Automobil gegenüber dem belgischen Händler
ohne Erfolg reklamiert.
Nachdem der Verbraucher inzwischen in seine bayrische Heimat zurückgekehrt
ist und von der Anstrengung eines Gerichtsverfahrens im Ausland Abstand genommen
hat, wendet er sich ratsuchend an die Clearingstelle in Kehl am Rhein.
Dort nimmt einer unserer Juristen den Sachverhalt auf, überprüft
die Beschwerde auf ihre Schlüssigkeit, übersetzt sie ins Englische
bzw. in dem belgischen Fall ins Französische und übergibt sie schließlich
mit Vollmacht des Verbrauchers an seine Kollegen in Brüssel zur weiteren
Veranlassung der außergerichtlichen Streitbeilegung.
In unserem praktischen Fall sind die Mitarbeiter der belgischen Clearingstelle
am besten mit Sprache, Rechtsordnung und geschäftlichen Gepflogenheiten
in ihrem Land vertraut.
Darüber hinaus kann die Clearingstelle vor Ort meist besser die einzelnen
Zuständigkeiten und Verfahrensvoraussetzungen ihrer einheimischen Schlichtungsstellen
beurteilen, als dass dies eine ausländische Clearingstelle aus der Ferne
tun könnte.
Im übrigen erklärt es sich von selbst, das der belgische Händler
im Zweifel seinen inländischen Schlichtungsstellen mehr Vertrauen schenkt
als einer für ihn unbekannten, weit entfernten Stelle im Ausland.
Die Interessen und Ansprüche des Verbrauchers werden durch die Betreuung
der Clearingstelle und durch die geforderte Unabhängigkeit der aus seiner
Sicht ausländischen Schlichtungsstelle zu schützen versucht.
Mit Blick auf die Europäische Verordnung zur internationalen Zuständigkeit
(EUGVO) kann es also sein, dass im hypothetischen Fall der Erhebung einer
Klage ein inländisches Gericht zuständig wäre, jedoch das Schlichtungsverfahren
im Ausland stattfindet.
Mit dieser Unstimmigkeit müssen und können wir leben.
Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass der Verbraucher seiner
nach dem Internationalen Privatrecht geltenden Rechte beraubt wird.
Der Schlichter muss sich daher der Problematik des anwendbaren Rechts bei
Streitigkeiten mit Auslandsbezug bewusst sein.
Die juristische Qualifikation der Schlichter erweist sich daher insbesondere
bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten als notwendig.
Schlichtung durch Laien, wie dies beispielsweise durch die Schiedsleute in
Nordrhein-Westfalen geschieht, erscheint uns daher für das EEJ-Net als
unpassend.
Doch zurück zu unserem eingangs geschildertem Fall, der sich in Belgien
abspielt.
Unsere Partner-Clearingstelle in Brüssel unterrichtet uns über ihre
einzelnen Schritte zur außergerichtlichen Streitbeilegung und über
deren Resultate zwecks Weitergabe der Information an den Verbraucher.
Auf diese Art und Weise der Aufgabenteilung zwischen den zwei beteiligten
Clearingstellen wird dafür gesorgt, dass der Verbraucher stets in seiner
eigenen Sprache über den meist sachlich und rechtlich komplizierten Sachverhalt
kommunizieren kann.
Wenn ein ausländischer Verbraucher sich in einem Rechtsstreit mit einem
deutschen Unternehmer befindet, dann schlüpft die Clearingstelle Deutschland
in die Rolle, die im vorangegangenen Fall der belgischen Clearingstelle zuteil
wurde.
Daher besitzt die Clearingstelle ein elementares Interesse an einer reibungslosen
Zusammenarbeit mit den deutschen Schlichtungsstellen. Jetzt kennen Sie den
wahren Grund des heutigen Seminars und ich freue mich, das Sie das Angebot,
das EEJ-Net (und Straßburg) näher kennen zu lernen, angenommen
haben.
Von guter Zusammenarbeit profitieren auch die Schlichtungsstellen, denn die
Clearingstelle sorgt für die Vorbereitung der regelmäßig diffizilen
grenzüberschreitenden Beschwerden, indem sie den vom Verbraucher vorgetragenen
Sachverhalt nach Wesentlichem und Unwesentlichem sondiert, ihn ins Deutsche
übersetzt und in die Form eines ordnungsgemäßen Antrags bringt
sowie das Verfahren und das Schlichtungsergebnis dem Verbraucher in seiner
Sprache vermittelt.
Der
Clearingstelle Deutschland steht im europäischen Vergleich eine verhältnismäßig
hohe Anzahl von über 200 Schlichtungsstellen im Rahmen des deutschen
EEJ-Nets zur Verfügung.
Diese hohe Zahl liegt in der Systematik des bisherigen deutschen Schlichtungssystems
begründet.
Deutsche Schlichtungsstellen haben sich im Laufe der Zeit in den einzelnen
Branchen durch die jeweiligen Organisationen beispielsweise im Handwerk, Handel,
Bau und Ärzteschaft gebildet, sodass sich die Zuständigkeit für
Beschwerden nach Wirtschaftssektoren richtet.
Zu diesen sektoralen Zuständigkeitsgrenzen treten zudem Einschränkungen
im personalen Anwendungsbereich hinzu.
Das bedeutet, dass nur solche Beschwerden behandelt werden, die sich gegen
Mitglieder der betreffenden Branchenorganisation richten.
Leider hatten wir in der Vergangenheit viele Fälle in denen das Unternehmen
nicht organisiert war, sodass die in der betreffenden Branche tätige
Schlichtungsstelle sich für nicht zuständig erklären musste.
Allein die bei einem Viertel der Industrie- und Handelskammern (IHK) eingerichteten
Schlichtungsstellen für Verbrauchersachen schlichten unabhängig
von der betroffenen Branche und bei allen Gewerbetreibenden.
Wir würden es daher begrüßen, wenn in der Zukunft mehr Stellen
dieser Art bei den Kammern eingerichtet werden.
Der nationale Gesetzgeber hat die Kammern beauftragt, für faires kaufmännisches
Verhalten seiner Mitglieder zu sorgen.
Die bei einigen Kammern eingerichteten Schlichtungsstellen für Verbrauchersachen
eignen sich aus unserer Sicht hervorragend zur Erfüllung dieses gesetzlichen
Auftrags.
Anknüpfend
an die oben begonnene Beschreibung der einzelnen Zuständigkeiten, bleibt
noch der Hinweis schuldig auf die mehrheitlich dezentrale Struktur der Branchenorganisationen.
Dieser Umstand bedingt, dass deutsche Schlichtungsstellen oft nur für
bestimmte Kommunen verantwortlich sind.
Einzig in den Bereichen der Versicherungsgesellschaften und Finanzinstitute
finden sich zentral organisierte, das heißt für ganz Deutschland
zuständige Schlichtungsstellen.
Im Gesamtergebnis führt dies zu einer zu einer sowohl sektoralen als
auch territorialen Zersplitterung der Zuständigkeiten.
Natürlich
bietet die verästelte und differenzierte Struktur der Zuständigkeiten
auch Vorteile in Form von Sachverstand und räumlicher Nähe zum beteiligten
Unternehmen.
Infolgedessen kann zum einen der vorhandene Sachverstand kostspielige externe
Gutachten ersetzen und zum anderen kann die Schlichtungsstelle vor Ort unmittelbar
ihren Einfluss auf das Unternehmen ausüben.
Im
ganzen ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die geschilderte breite
Streuung der Schlichtungsstellen nach Ort und Branche eine gewisse Unübersichtlichkeit
nach sich zieht.
Diesbezüglich kommt erschwerend hinzu, dass die Terminologie der Schlichtungsstellen
und die ihrer Verfahrenstechniken nicht einheitlich gehandhabt werden.
Umso notwendiger ist es, dem orientierungssuchenden Verbraucher durch eine
zentrale Stelle zu beraten, so dass er sich im Dickicht der vielen einzelnen
Schlichtungsstellen zurecht finden kann.
Es
macht Sinn diese Aufgabe der Clearingstelle zu übertragen, da sie aufgrund
ihrer praktischen Tätigkeit einen fortlaufenden Überblick über
die existierenden Schlichtungsstellen, deren Zuständigkeiten, Voraussetzungen
und Abläufe von Verfahren hat.
Die Clearingstelle bedarf zusätzlich der regelmäßigen Fütterung
mit Informationen durch die Schlichtungsstellen. So können inzwischen
wieder aufgegebene oder neu geschaffene Stellen, geänderte Verfahrensvorschriften,
neues Personal mitgeteilt werden.
Erlauben
Sie mir noch einen kurz Blick auf die Empfehlung der Kommission aus dem Jahre
1998 durch die Brille der Clearingstelle.
Nach dieser Empfehlung sind die Schlichtungsstellen an sieben Verfahrensgrundsätzen
zu messen:
In der Kürze der Zeit möchte ich nur die das Gebot der Transparenz
und der Effizienz ansprechen.
Sicherlich werden die nachfolgenden Redner noch das ein oder andere Gebot,
insbesondere die Unabhängigkeit, thematisieren.
Nun aber ein Wort zur Transparenz.
Während unserer Arbeit ist uns die zurückhaltende Veröffentlichung
von Entscheidungen der Schlichtungsstellen aufgefallen.
Wir plädieren für eine offensivere Handhabung ggf. in Form von anonymen
Berichten.
Dies trägt zu mehr Transparenz für den Verbraucher sowie für
mehr Aufmerksamkeit der Medien bei.
Nun ein Wort zur gebotenen Effizienz der Verfahren, welches mit dem ersten
Kontaktversuch des Verbrauchers beginnt. Effiziente Kontaktaufnahme gebietet
heutzutage - wie dies bei einigen Stellen bereits der Fall ist -
eine klare Präsenz der einzelnen Schlichtungsstellen im Internet.
Die Verfahrensordnung sowie ein Antragsformblatt sollten zum Herunterladen
bereitgestellt werden.
Die Clearingstelle hat bereits erste Kontakte zu Schlichtungsstellen aufgenommen
mit dem Ziel der Übersetzung der jeweiligen Verfahrensordnungen und Antragsformblätter.
Mehr dazu kann uns sicherlich später Herr Tewes von der Kfz-Schlichtungsstelle
in Freiburg berichten.
Schlichtungsstellen
in einigen anderen Staaten wie in den Niederlanden gehen mit Übersetzungen
ihrer Verfahrensordnungen ins Deutsche als vorbildliches Beispiel voran.
Es kann nicht oft genug betont werden, dass für den durchschnittlichen
Verbraucher die Lösung der Fremdsprachenproblematik eine entscheidende
Rolle spielt bei der Verfolgung seiner Rechte außerhalb seiner Sprachgrenzen.
Schließlich
ist speziell bei der Frage nach der Eignung von Schlichtungsstellen für
das europäische Netzwerk, die Möglichkeit der Durchführung
von rein schriftlichen Verfahren von entscheidender Bedeutung.
Bei Bagatellestreitigkeiten ist eine Anreise aus dem Ausland für eine
mündliche Verhandlung oft unwirtschaftlich und damit ineffizient.
Noch
ein letzter Punkt zur Steigerung der Effizienz mit dem ich den Vortrag abschließen
möchte.
Die Entscheidungen der Schlichtungsstellen sind in der Regel nicht unmittelbar
zwangsvollstreckbar.
Eine Ausnahme gilt allerdings für Vergleiche von Schlichtungsstellen,
die von den Justizverwaltungen der Bundesländer anerkannt wurden.
Neben diesem Vorteil der effizienten Vollstreckbarkeit, ist noch ein weiterer
Vorteil hinsichtlich der Verjährung herauszustellen:
Die vor solchen Schlichtungsstellen geschlossenen Vergleiche verjähren
erst nach 30 Jahren.
Die Verleihung einer solchen Anerkennung erfolgt auf Antrag durch die Justizverwaltung
und wäre ein Gewinn für alle Beteiligten.
Am
Schluss noch eine lapidare aber wichtige Feststellung, die in diesem Kreise
Erwähnung verdient:
In einigen Bereichen der Wirtschaft fehlen Schlichtungsstellen.
Lücken bestehen insbesondere bei Transportdienstleistungen und im Einzelhandel.
Gerade diese Bereiche spielen aber für aus- und inländische Verbraucher
eine bedeutende Rolle.
Es ist wünschenswert, dass die betroffenen Wirtschaftsverbände entsprechende
Schlichtungsstellen errichten.
Außerdem könnte die Bereitstellung einer allgemeinen Schlichtungsstelle
mit subsidiärer Zuständigkeit notfalls fortbestehende Lücken
schließen und somit eine Auffangfunktion wahrnehmen.
Die weitere intensive Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen der Schlichtungsstellen überlasse ich den hierzu besonders qualifizierten Rednern der Schlichtungsstellen, der Justizministerien sowie des Max-Planck-Instituts.
Mit
schließe hier den Vortrag und bedanke mich für Ihr Interesse.
Für eventuelle Fragen stehe ich Ihnen, wie im übrigen alle Redner,
in den Pausen, im Rahmen des Diskussionsforums zur Verfügung und heute
Abend in der Brasserie Kirn zur Verfügung.»