Alexandra Wolframm, Rechtsanwältin, Deutsch-Französische Anwaltskooperation

Alternative zur ADR:
Justizielle Lösungen grenzüberschreitender Verbraucherstreitigkeiten


I. Wichtige verfahrensrechtliche Rechtsquellen
1. Europa
- Die EuGVO (Verordnung EG Nr. 44/2001) über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, auch Brüssel-I-Verordnung genannt, trat am 1.3.2002 in Kraft und ist unmittelbar gegenüber allen Mitgliedsstaaten gültig. Eine Ausnahme bildet Dänemark, hier gilt das EuGVÜ (Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen), die Vorgängerregelung der EuGVO, weiter.
- Das Luganoübereinkommen vom 16. 9. 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen wurde als Parallelübereinkommen zum bereits erwähnten EuGVÜ getroffen und ist anwendbar auf vermögensrechtliche Streitigkeiten. Es gilt nach wie vor für im Verhältnis von EG-Mitgliedstaaten zur Schweiz, zu Norwegen, Island und zu Polen und dieser untereinander ( EFTA-Staaten, Art. 54b LugÜ) Die früher bestehende inhaltliche Parallelität zwischen EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen ist nach der Ersetzung des EuGVÜ durch die EuGVO teilweise nicht mehr gegeben. Wegen immer noch nicht ausgeräumter Unklarheiten darüber, ob für die Überarbeitung des Übereinkommens die EU-Kommission oder die Mitgliedstaaten zuständig sind, kann mit der Neufassung des Übereinkommens wohl frühestens Ende 2004 zu rechnen.
- Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates v. 29. 5. 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten
- Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) (Rom-I-Abkommen)

2. Deutschland
- Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) zur Ausführung der EuGVO
- Gesetz zur Durchführung gemeinschaftlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz)
- Art.29, 29a, 34 EGBGB
- Zivilprozeßordnung

3. Frankreich
- Code Civil - Zivilgesetzbuch
- Nouveau Code de Procedure Civile - Neue Französische Zivilverfahrensordnung


II. gerichtliche Geltendmachung von grenzüberschreitenden Verbraucheransprüchen

1. Anwaltssuche im Ausland
Bei einer Klage im Ausland sollte zweckmäßigerweise ein Anwalt im Ausland gefunden werden. Hier sind folgende praktische Aspekte zu beachten:
- Z.B. Sprachprobleme - eine Lösung sind mehrsprachliche Anwaltsbüros oder Anwälte, die mit Berufskollegen im Ausland kooperieren.
- Unterschiedliche Gebührensystematik und unterschiedliche Berufsordnungen: beispielsweise gibt es in Frankreich keine der deutschen BRAGO (Gebührenordnung für Rechtsanwälte) vergleichbare Gebührenordnung, der französische Avocat muss sein Honorar daher immer frei vereinbaren. Er ist z.B. auch an strenge Verschwiegenheitspflichten gebunden, die es ihm - anders als dem deutschen Rechtsanwalt - untersagen, dem Mandanten den Schriftverkehr der Gegenseite zu übermitteln.

2. Zuständigkeit
Anwendbarkeit der Brüssel-I-Verordnung
Sie ist dann gegeben, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, auch dann, wenn der Kläger in einem Drittland ansässig ist.

Verbrauchergerichtsstand
Die EuGVO gewährt dem Verbraucher in Art. 15 und 16 EuGVO einen internationalen Gerichtsstand im Staat seines Wohnsitzes. Dieser stellt eine zwingende und abschließende Regelung dar. Klagt ein Verbraucher, kann er wählen, ob er die Klage an seinem Wohnsitzort oder im Wohnsitz- oder Niederlassungs- bzw. Zweigniederlassungsstaat des Beklagten anhängig machen möchte. Dieser internationale Verbrauchergerichtsstand ist in vielen verbraucherbezogenen Rechtsstreitigkeiten einschlägig, so dass in vielen Fällen die Klage eines Verbrauchers in seinem eigenen Land anhängig gemacht werden kann. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieses Gerichtsstandes sind durch die neue EUGVO im Vergleich zum alten EuGVÜ sehr erleichtert worden.

Beispiele:
- Einführung eines örtlichen Gerichtsstandes für Verbraucher in Art. 16 I EuGVO. In der Vorläuferregelung des Art. 14 EuGVÜ war nur die internationale Zuständigkeit geregelt. Dies führte manchmal zu Problemen, weil nicht immer auch ein örtlicher Gerichtsstand in Deutschland gegeben war. Beispiel: Entscheidung des OLG München, NJW-RR 1993, 701 : die Klage eines Verbrauchers wurde abgewiesen, weil zwar eine internationale, nicht aber eine örtliche Zuständigkeit im Wohnsitzland des Verbrauchers bejaht wurde)

- Der Begriff des Verbrauchervertrages in Art. 15 EuGVO wurde erweitert: bisher fielen darunter nur Teilzahlungsverträge und Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen, nunmehr auch alle anderen Vertragstypen, bei denen Verbraucher und Unternehmer beteiligt sind (also auch Time-sharing- oder Kreditverträge)

- Anpassung des situativen Anwendungsbereiches des Verbrauchergerichtsstandes an die Bedeutung und den Gegebenheiten des elektronischen Geschäftsverkehrs: Kriterium ist jetzt, dass der Vertragspartner des Verbrauchers, also der Unternehmer, seine gewerbliche Tätigkeit in „irgend einem Wege“ auf den Mitgliedsstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat. (Art.15 I lit.c). Die Vorläuferregelung des EuGVO, das EuGVÜ, erforderte für die Anwendbarkeit des internationalen Verbrauchergerichtsstandes die Werbung, ein Vertragsangebot oder einen Vertragsschluss. Dies hat zu Problemen bei der Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes bei Internetgeschäften geführt, weil es regelmäßig an diesem Kriterium fehlte.

- Fazit: Im Ausland muss bei Verbrauchersachen nur noch in Fallkonstellation geklagt werden, die in Lücken des Verbrauchergerichtsstandes fallen oder Rechtsstreitigkeiten, bei denen Verbraucher zwar betroffen sein können, die aber per Begriffsdefinition keine verbraucherrechtlichen Streitigkeiten sind, weil es an der erforderlichen Konstellation Unternehmer-Verbraucher-Vertrag fehlt. (Beispiel: Verkehrsunfall). Selbstverständlich steht es Verbrauchern frei, dieses „Verbraucherprivileg“ nicht in Anspruch zu nehmen, und gegen den ausländischen Gegner an dessen Sitz vorzugehen, etwa um die Vollstreckung zu beschleunigen. Dies will aber gut überlegt sein, denn für die Inanspruchnahme des Verbrauchergerichtstandes spricht vieles: Gerichtsnähe, Sprache, keine Unwägbarkeiten bezüglich der Übereinstimmung des ausländischen sachlichen Verbraucherrechts mit dem nationalen Recht.

Vom EU-Ausland aus verklagt werden kann der Verbraucher im übrigen nur an seinem Wohnsitz (Art. 15 Abs. 2), abweichende Vereinbarungen sind unter engen Voraussetzungen (Art. 17) möglich. Aber: lässt sich ein Verbraucher rügelos ein, wenn er an einem anderen als seinem Verbrauchergerichtsstand verklagt wird, wird das an sich unzuständige Gericht zuständig.

3. Zulässigkeit - beachtenswerte Aspekte
Allgemein
Die anlässlich der Einführung der EuGVO vom EU-Parlament gewünschte Aufnahme einer Regelung zur Möglichkeit einer Schiedsvereinbarung vor Entstehen der Streitigkeit zwischen Verbraucher und Unternehmer wurde von der EU-Kommission und Rat abgelehnt. Grenzübergreifende Klagen in Verbraucherstreitigkeiten sind also diesbezüglich immer ohne weiteres zulässig.

Klage in Deutschland:
Das obligatorisches Streitschlichtungsverfahren bei Streitwerten bis 750 Euro gilt für grenzüberschreitende Gerichtsverfahren nicht (§ 15 a Abs. 2 S. 2 EGZPO).

Klage im Ausland - Beispiel Frankreich:
Die Klage darf nicht missbräuchlich sein, ansonsten kann der in Anspruch Genommene den Kläger laut Neuer französischer Zivilprozessordnung auf Schadenersatz in Anspruch nehmen.

4. Materielles Recht
Anzuwendendes Sachrecht nach dem Internationalen Privatrecht
Auch wenn die Zuständigkeit für die gerichtliche Verbraucherstreitigkeit geklärt ist, ist damit noch nicht automatisch das Recht des Gerichtsstandortes anwendbar. Diese Frage muss erst anhand der Regeln des internationalen Privatrechts geklärt werden.
In Verbraucherrechtsstreitigkeiten dürfte die praktisch bedeutsamste Regel der Sonderanknüpfungstatbestand des § 29 EGBG - und dort die Ersatzanknüpfung in Absatz 2 sein: Soweit keine Rechtswahlvereinbarung zwischen Verbraucher und Vertragspartner vorliegt, ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers anwendbar, wenn es sich um einen Vertrag über die Lieferung von beweglichen Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen handelt, der Verbraucher die zum Vertragsschluss erforderliche Rechtshandlung (Bestellung o.ä) in seinem Staat vorgenommen oder der Vertragspartner zumindest ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung dort getätigt hat.
Es kann Fälle geben, in denen ein Verbraucher zwar im Inland klagen kann, in denen aber aufgrund der Vorschriften des Internationalen Privatrechts ausländisches Recht anzuwenden ist.
Dies liegt daran, dass die weitgehenden Erleichterungen im europäischen Verfahrensrecht keine genaue Entsprechung im Europäischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Abkommen) und den für Verbrauchervorschriften des deutschen IPR gefunden haben. Nach Art. 15 EuGVO sind Verbrauchersachen jetzt alle vertragsrechtlichen Streitigkeiten (im weiten Sinne) zwischen Verbrauchern und Unternehmern, in §§ 29 ff EGBG ist der sachliche und situative Anwendungsbereich beschränkter.

Eine Analogiemöglichkeit wird von der Rechtsprechung überwiegend verneint, weil das Verbraucherrecht durch eine Reihe von Richtlinien vereinheitlicht wurde, in denen das Sachrecht angeglichen worden ist:
z.B. - Richtlinie betreffend den Verbraucherschutz von außerhalb Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen,
- Richtlinie über den Verbraucherkredit
- Pauschalreisenrichtlinie

Andere Richtlinie regeln das Kollisionsrecht für ihren Anwendungsbereich gleich selbst, z.B.
- Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz
- Richtlinie zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien.

Dennoch ergeben sich aus diesem Umstand Rechtsunsicherheiten aus unterschiedlicher Auslegung und Umsetzung in den Mitgliedsstaaten (z.B. Einführung des § 661 a BGB im Zuge der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie).

Wenn eine die Entscheidung über das anwendbare Recht bei Verneinung des Art. 29 EGBG nach den Art. 27, 28 EGBG erfolgen müsste und dies zu einem ungünstigen Ergebnis führt, hilft unter Umständen noch die Generalklausel des Art. 34 EGBGB, die bewirkt, dass deutsches Recht trotz der abweichenden Regelungen des IPR anwendbar ist, wenn es sich um „zwingende Bestimmungen deutschen Rechts“ handelt. Art. 34 stellt eine Auffangvorschrift auch für Teile des Verbraucherrechts dar. Allerdings muss immer im konkreten Einzelfall entschieden werden, weswegen hier eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht.

Mögliche Unterschiede im materiellen Verbraucherrecht in den Mitgliedsstaaten
Trotz der weitgehenden EU-einheitlichen Regelung des Verbraucherrechts kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Klage, die im eigenen Land Aussicht auf Erfolg hat, in den anderen EU-Mitgliedsstaaten genauso beurteilt wird. Ein Beispiel sind die Fälle des § 661 a BGB (Anspruch bei Gewinnzusagen), da eine vergleichbare Vorschrift zur Zeit nur in Deutschland und Österreich existiert.
Auch muss die ausländische Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen nicht immer parallel zur deutschen Rechtsprechung sein, so dass auch hierdurch das Ergebnis eines Rechtsstreits beeinflusst werden kann.

5. Zustellung der Klage im Ausland
Die Zustellung im Ausland richtet sich nach der am 29. 5. 2000 verabschiedeten Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 über die Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten, die die Zustellung von Schriftstücken offenbar erheblich beschleunigt hat. Der Regelfall ist die Amtszustellung.
Die Mitgliedsstaaten haben Lücken in der Verordnung genutzt, um eigene zusätzliche Regelungen zur Zustellung zu erlassen. Diese fallen nicht immer parallel aus, weswegen im Ergebnis an einigen Stellen die Harmonisierung konterkariert wird.
Beispiel: in Frankreich, Luxembourg, den Niederlanden und Belgien erfolgt die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (hussier de justice). Diese verlangen einen Honorarvorschuss. Die Zustellungsverordnung hingegen sieht die Kostenfreiheit für Zustellungsersuchen vor (Art. 11 Abs. 1, lässt aber Ausnahmen zu).
Ergänzende Zustellungsmöglichkeiten sind zwar vorhanden, nämlich die postalische Zustellung und die Parteizustellung, sie sind in der Zustellungsverordnung allerdings nur lückenhaft geregelt. Die Mitgliedsstaaten haben hier zahlreiche, untereinander abweichende Regelungen erlassen, weswegen auch hier noch Rechtsunsicherheiten bestehen.

Besonderheiten der Zustellung von Frankreich nach Deutschland können sich durch die dort gebräuchliche die „remise au parquet“ ergeben, bei der das Schriftstück am zuständigen Tribunal de Grande Instance des Vollstreckungsgläubigers niedergelegt wird. Dies bewirkt gleichzeitig die fiktive Zustellung beim Vollstreckungsgegner und kann dazu führen, dass Fristen versäumt werden.
Rechtsunsicherheiten können auch bei Zustellungsmängeln auftreten. Zwar gewähren die jeweiligen nationalen Verfahrensordnungen Heilungsmöglichkeiten (in Deutschland z.B. § 189 ZPO), es gibt aber keine einheitliche Heilungsvorschrift in der europäischen Verordnung selbst.

Für die Zustellung ist die Übersetzung der Klage nicht erforderlich, allerdings darf der Empfänger die Annahme verweigern, wenn das Schriftstück nicht in der Amtssprache des Empfangsstaates übersetzt ist, es sei denn, er versteht die Sprache des Übermittlungsstaates, in der das Schriftstück verfasst ist.

6. Sonstiges/Kosten:
Verfahrenskosten: unabhängig von Obsiegen oder Unterliegen im Verfahren kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach freiem Ermessen festlegen (Art. 700 der Neuen französischen Zivilprozessordnung) Grundsätzlich hat auch die obsiegende Partei ihre Anwaltskosten selbst zu tragen.

grenzüberschreitende Klage durch Verbraucherverbände

6. Vorbemerkung
Manche Arten von Verbraucherrechtsstreitigkeiten treten gehäuft auf und verletzen dadurch Kollektivinteressen des Verbraucherschutzes. Sie eignen sich darüber hinaus teilweise nicht zur gerichtlichen Geltendmachung durch den Verbraucher selbst.
Beispiele:
- In Fällen eines geringen Streitwerts bzw. Bagatellschäden
- kein eingetretener Schaden, nur Belästigung, z.B. durch unerwünschte oder wettbewerbswidrige Werbung
Zur Durchsetzung dieses Kollektivinteresses eignet sich die Geltendmachung im Wege der Verbandsklage durch Verbraucherverbände im Rahmen eines Unterlassungsanspruches.

7. Rechtsgrundlagen
- EuGVO
- Unterlassungsklagerichtlinie vom 19.5.1998 - Die Unterlassungsklagerichtlinie hat den freien Verkehr der Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen zum Ziel (Formulierungen aus dem Grünbuch der Kommission über den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten). Grenzüberschreitende Verbraucherschutzverstöße können damit auch über die nationalen Grenzen hinaus verfolgt werden.
- Unterlassungsklagegesetz, das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist. Die Umsetzung der Richtlinie war zunächst - an etwas unglücklicher Stelle - im AGBG erfolgt.

8. Zuständigkeit
Bei Unterlassungsklagen im Bereich des Verbraucherschutzes handelt es sich im Regelfall um zivilrechtliche Verfahren, so dass die EuGVO anwendbar ist.
Den Verbrauchergerichtsstand können Verbraucherschutzorganisationen aber nicht in Anspruch nehmen. Mit der Rechtssprechung des EuGH (Urteil vom 1.10.2002, Aktenzeichen C-167/00) ist aber nunmehr klargestellt, das Unterlassungsklagen von Verbraucherorganisationen zur Wahrung kollektiver Verbraucherinteressen unter den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, Art. 5 Nr. 3 EuGVO, fallen. Das gilt auch für vorbeugende Unterlassungsklagen und Klagen im einstweiligen Rechtsschutz. In den Fällen, in denen eine Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften vom Ausland aus im Inland stattgefunden hat, kann dann also ein inländischer Gerichtsstand in Anspruch genommen werden.

9. Zulässigkeitsfragen
Klagebefugt sind nur Verbraucherverbände, die in die Liste der qualifizierten Einrichtungen beim Bundesverwaltungsamt bzw. im Verzeichnis der EU-Kommission über die qualifizierten Einrichtungen, deren satzungsmäßige Aufgabe die Verbraucherberatung - und Aufklärung ist eingetragen sind.
Die durch die Richtlinie eröffnete Möglichkeit, eine verpflichtende vorherige Konsultation mit dem Beklagten oder einer qualifizierten Einrichtung vorzunehmen, wurde in Deutschland nicht umgesetzt, bei einer Klage im Ausland wäre allerdings zu prüfen, ob im Gerichtsland eine solche Verpflichtung besteht.
Die vorherige Anrufung einer bei den Industrie- und Handelskammern eingerichteten Einigungsstellen ist aber nach § 12 UklaG, 27 a UWG möglich.
Die Streitwertsenkung in § 23 a UWG, die das Kostenrisiko eines Rechtsstreits für Verbraucherverbände senkt - sollte zunächst gestrichen werden (Kabinettsentwurf der Bundesregierung zur Reform des UWG), wurde jetzt doch beibehalten.

II. Vollstreckung von in Deutschland erstrittenen Titeln im europäischen Ausland
1. Vorbemerkung:
Eine Vollstreckung z.B. in Frankreich lohnte sich in der Vergangenheit nur dann, wenn die zu vollstreckende Summe mehr als 5000 Euro betrug, da die anfallenden Kosten (Gerichtsvollzieher, Rechtsanwalt) nicht mitvollstreckt werden konnten. Nunmehr sind auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse vollstreckbar, daher können die Verfahrenskosten eingetrieben werden.

2. Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung (Exequaturverfahren) von Titeln im Ausland
Im Vergleich zu früher (EuGVÜ) bringt die Verordnung einige Erleichterungen des Verfahrens: Der Anwendungsbereich der für vollstreckbar erklärbaren Titel wurde klargestellt, z.B. wird jetzt auch der Vollstreckungsbescheid ausdrücklich genannt.

Die Entscheidung muss dem Gegner auch nicht mehr vorab zugestellt werden. Die Vollstreckbarerklärung ist jetzt anders als noch nach 34 II EuGVÜ ohne Überprüfung von etwaigen Anerkennungshindernissen, etwa die Verletzung des „ordre public“ zu erteilen, wenn er die Ausfertigung der Entscheidung und eine gesonderte Bescheinigung nach Art. 54 EGVVO vorlegt. Letztere ist durch das Gericht des Erkenntnisverfahrens auszustellen. Es müssen Angaben zum Gericht, den Parteien und die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland enthalten sein. In der Praxis kann es hier zu Verzögerungen des Verfahrens kommen, wenn das zuständige Gericht (der Rechtspfleger) mit der Ausstellung dieser Bescheinigung auf sich warten lässt.

Der Beklagte hat jetzt lediglich die Möglichkeit, gegen die Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf einzulegen: z.B. In Verbrauchersachen, wenn der internationale Verbrauchergerichtsstand durch das erkennende Gericht verletzt wurde. Ist dies der Fall, greift das Anerkennungs- und Vollstreckungsverbot in Art. 35 EuGVO.

Der Antrag ist in Frankreich an den Tribunal de Grande Instance zu richten (am Wohnsitz des Schuldners bzw. am Vollstreckungsort), und zwar durch einen zugelassenen Rechtsanwalt. Es genügt nicht, wenn der Antrag durch einen EU-ausländischen Rechtsanwalt eingereicht wird, der ein Büro in dem Vollstreckungsstaat unterhält und dort als ausländischer Anwalt bei der örtlichen Kammer zugelassen ist!
Der Vollstreckungsgläubiger muss ein sogenanntes Wahldomizil im Vollstreckungsstaat errichten. Das heißt nicht, dass er selbst umziehen muss, aber er muss zumindest einen Verfahrensbevollmächtigten benennen.
Eine beglaubigte Übersetzung des Titels ist nur einzureichen, wenn das Gericht eine solche fordert.

Eine Überprüfung der Entscheidung in der Sache selbst wird nie vorgenommen.

III. Exequaturverfahren in Deutschland
Keine weiteren Besonderheiten: das Verfahren muss durch einen Rechtsanwalt vor dem örtlich zuständigen Landgericht betrieben werden.
Soweit im Urteil auch Verzugszinsen zugesprochen wurden, muss die Höhe des im Ausland geltenden gesetzlichen Zinssatzes mitgeteilt und nachgewiesen werden.

Ausblick
Die schon jetzt weit entwickelte Harmonisierung im prozessualen und materiellen Recht- insbesondere im Verbraucherrechtsbereich - wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen und damit die Vereinheitlichung des Binnenmarktes durch die Verbesserung und Erleichterung des Zugangs zum Recht vorangetrieben.

Zahlreiche Vorhaben auf Europa-Ebene belegen dies:

- Das Grünbuch zum europäischen Mahnverfahren von 2002 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahren sowie Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert.
Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 über die Beweisaufnahme zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zusammenarbeit zwischen den Gerichten bei der Beweisaufnahme. Das EG-Beweisaufnahme-Durchführungsgesetz soll zeitgleich mit den in der Prozesspraxis interessierenden Teilen der Beweisaufnahme-Verordnung am 1. 1. 2004 in Kraft treten.

Prozesskostenhilfe-Richtlinie: Richtlinie 2002/8/EG des Rates v. 27. 1. 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften über die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (Umsetzung bis 30.11.2004) für Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug
Verordnungsvorschlag der Kommission zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen. Es wird die Abschaffung der Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat angestrebt. Der Gläubiger soll sich mit seinem Titel aus dem Mitgliedstaat A zukünftig direkt an das Vollstreckungsorgan im Mitgliedstaat B zur unmittelbaren Durchführung der eigentlichen Zwangsvollstreckung wenden können.
Das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen der Europäischen Kommission sieht darüber hinaus die vollständige Abschaffung des Exequaturverfahrens vor.
- Die Arbeiten der EU-Kommission zum Projekt eines Europäischen Vertragsrechts
- Über eine weltweite Lösung gerichtlicher Zuständigkeitsfragen wird derzeit im Rahmen des Haager Konventionsentwurfs über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen gearbeitet.

Fazit
Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen wird weiter vereinfacht werden. Dies bedeutet aber nicht, dass sie verstärkt in Konkurrenz mit der grenzübergreifenden außergerichtlichen Streitbeilegung tritt. Im Gegenteil: außergerichtliche Streitbeilegung und gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen ergänzen sich. Die außergerichtliche Streitbeilegung, die im übrigen auch weiter ausgedehnt wird (z.B. Grünbuch der Kommission über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht) wird durch die verbesserte Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung profitieren.

Als wirksames Druckmittel gegen das Scheitern außergerichtlicher Streitschlichtungsversuche steht dann nämlich die noch aussichtsreichere gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeit zur Verfügung.