Helping consumers to resolve disputes cross border

Review of the European Extra-Judicial Network
and future perspectives for improved EU Consumer assistance

Second workshop : Promoting and supporting consumer ADR

This workshop will explore the issues relating to encouraging the growth of more ADR schemes under both 1998 and 2001 Commission Recommendations in the EU, especially where none currently exist to deal with a dispute.

Chairman : Prof. Yves Poullet, University of Namur, Belgium

Rapporteur : Giles Buckenham, Department of Trade and Industry, UK

Speakers :
Speaker - Allan Connarty, Chartered Institute of Arbitrators, UK
Speaker - Christine Maxner, Danish Consumer Agency, Denmark
Speaker - Paul Skehan, Eurochambres, Belgium
Speaker - Arnold Koopmans, BOVAG, Netherlands
Speaker - Jan Widlund, Trade and Industry Representative, Sweden
Speaker - Christian Moritz, Clearing House, Germany


System der Alternativen Streitbeilegung:
Stärken und Schwächen

Christian Moritz, Clearingstelle Deutschland (EURO-INFO-VERBRAUCHER e.V.)

Gliederungspunkte:

1. Das erste Jahr der Clearingstelle Deutschland im Rückblick
Anfragen und Themen / Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung

2. Streitbeilegung im Vorfeld von ADR-Verfahren

3. ADR-Stellen in Deutschland

4. Rechtsrahmen von ADR
Europäische und nationale Regelungen

5. Einzelne Handicaps bei ADR-Verfahren

a) Bekanntheitsdefizit
b) Mangel an ADR-Stellen
c) Blockade einer Partei

6. Alternativen zu ADR

Alternative Streitbeilegung (ADR):
Stärken und Schwächen

Ich freue mich, hier über die Stärken und Schwächen des deutschen ADR-Systems sprechen zu können.


1. Das erste Jahr der Clearingstelle Deutschland im Rückblick

Anfragen und Themen

Im ersten Jahr der Tätigkeit der Clearingstelle Deutschland suchten 758 Verbraucher aus dem In- und Ausland Rat und praktische Unterstützung in ihren grenzüberschreitenden Angelegenheiten. Hinter diesen Anfragen standen eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, die im Rahmen des EEJ-Nets mit Hilfe von Verhandlungen oder Schlichtungsverfahren erledigt werden konnten. Der Anzahl nach überwiegten Reklamationsfälle die Warenkäufe, Transportdienstleistungen, Versicherungen und Kfz-Instandsetzungen betreffen.

Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung

Für den durchschnittlichen Verbraucher erweist sich die Durchsetzung seiner Ansprüche in grenzüberschreitenden Streitigkeiten als mühsam. Dies erklärt sich durch weite Entfernungen, fremde Sprachen sowie unterschiedliche Gesetze und Verfahren.


2. Streitbeilegung im Vorfeld von ADR-Verfahren

Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten dient dem Rechtssuchenden das europäische Netzwerk der Clearing- und ADR-Stellen als Wegweiser und Berater. Auf diesem Wege stärkt das Netzwerk das Vertrauen der Verbraucher in das Funktionieren des Binnenmarktes.

Die bisherigen Erfahrungen und Statistiken zeigen, dass bereits die bloße Kontaktaufnahme der Clearingstelle zum beteiligten Unternehmen zu einer außergerichtlichen Lösung der Streitigkeit führen kann. Die Clearingstelle schlägt dem Unternehmen die Durchführung eines Verfahrens bei einer ausgesuchten ADR-Stelle vor. Im Gegenzug antworten einige Unternehmen kurzerhand mit dem Angebot einer gütlichen Einigung. Eine Streitbereinigung noch vor dem eigentlichen Start eines ADR-Verfahrens schadet natürlich nicht, denn ein solches stellt keinen Selbstzweck dar. Schon der deutliche Fingerzeig auf die Möglichkeit und auf die Vorteile eines ADR-Verfahrens kann also einen ins Stocken geratenen Einigungsprozess positiven Anstoß geben.


3. ADR-Stellen in Deutschland

Eine solche frühzeitige Instrumentalisierung von ADR erfordert profunde Kenntnisse über vorhandene ADR-Stellen und deren Verfahren. Bei Musterung des deutschen ADR-Systems fällt die relativ hohe Anzahl von über 200 dem EEJ-Net gemeldeten ADR-Stellen auf. Es handelt sich hierbei vornehmlich um Kollegialorgane, die u.a. von Handwerkskammern, Unternehmensverbänden sowie Kammern der freien Berufe finanziell und organisatorisch getragen werden.

Aufgrund der mehrheitlich dezentralen Struktur sind deutsche ADR-Stellen oft nur für bestimmte Städte oder Bezirke zuständig. Einzig in den Bereichen der Versicherungsgesellschaften und Finanzinstitute finden sich zentral organisierte ADR-Stellen.

Ein weiteres Wesensmerkmal deutscher ADR-Landschaft bildet die nach einzelnen Branchen aufgefächerte Zuständigkeit. Darüber hinaus begrenzt sich die Zuständigkeit auf Reklamationen die sich gegen Unternehmen richten, die der ADR-Stelle (freiwillig) beigetreten sind. Allein die bei einigen Industrie- und Handelskammern (IHK) eingerichteten ADR-Stellen für Verbrauchersachen arbeiten branchenübergreifend. Denn jeder Gewerbebetrieb gleich welcher Branche muss sich bei seiner örtlichen IHK eintragen lassen. Wir brauchen daher mehr ADR-Stellen bei den IHK.

Die breite Streuung einzelner kleiner ADR-Stellen nach Ort und Branche zieht eine gewisse Unübersichtlichkeit des Ganzen nach sich. Dafür bietet diese differenzierte Struktur Vorteile in Gestalt von brancheninternem Sachverstand und räumlicher Nähe zum beteiligten Unternehmen. Infolgedessen kann zum einen der vorhandene Sachverstand kostspielige externe Gutachten ersetzen und zum anderen kann die ADR-Stelle vor Ort unmittelbar auf das Unternehmen seinen Einfluss ausüben.


4. Rechtsrahmen von ADR-Verfahren

An die grobe Zusammenfassung bestehender ADR-Stellen schließt sich die Frage nach der rechtlichen Basis dieser Verfahren an.

a) Auf europäischer Ebene geben diesbezüglich zwei Empfehlungen der Europäischen Kommission die Richtung anhand eines Katalogs von Grundsätzen vor. Darunter befinden sich Gebote wie Unabhängigkeit, Transparenz und Effizienz. Bislang lassen die Kontakte der Clearingstelle zu den ADR-Stellen faire und sachliche Verfahren erkennen. Der Umstand, dass viele ADR-Stellen Unternehmensorganisationen nahestehen, erfordert jedoch die stete Demonstration der Fähigkeit der ADR-Stelle, unabhängig von Drittinteressen entscheiden zu können. Ferner würde eine weniger zurückhaltende Veröffentlichung von Entscheidungen durch die ADR-Stellen zu mehr Transparenz beitragen. Schließlich ist speziell bei der Frage nach der Eignung von ADR-Stellen für das europäische Netzwerk, auf die Möglichkeit der Durchführung von rein schriftlichen Verfahren zu achten. ADR-Stellen, die dies nicht ermöglichen, sind bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten nicht in der Lage, ein effizientes Verfahren zu gewährleisten.

b) Auf nationaler Ebene existieren nur wenige detaillierte Vorgaben, die den Ablauf von ADR-Verfahren regeln. Dennoch kann von einer Anarchie im System der ADR keine Rede sein. Durch Tradition und Anlehnung an zivilprozessuale und verfassungsrechtliche Leitlinien haben sich autonome Verfahrensordnungen entwickelt:

Kurze Verfahren und geringe Kosten
Danach führen die ADR-Stellen in der Regel Verfahren mit kurzen Fristen und ohne oder nur mit geringen Gebühren durch.

Freiwilligkeit des ADR-Verfahrens
Voraussetzung zur Durchführung von ADR-Verfahren ist normalerweise das Vorliegen der Einverständnisse beider Beteiligten. Bei einigen ADR-Stellen bedarf es des Einverständnisses auf der Seite des Unternehmens nicht, sofern dieses der ADR-Stelle zuvor freiwillig beigetreten ist.

Bindungswirkung der ADR-Entscheidung
In solchen Fällen ist gleichzeitig der Unternehmer an das Ergebnis des ADR-Verfahrens gebunden. Demgegenüber bindet eine ADR-Entscheidung nicht den Verbraucher, es sei denn, dass dieser die Bindung ausdrücklich und erst nach Entstehung des Rechtsstreits akzeptiert hat. Schließt das ADR-Verfahren mit einem Vergleich zwischen den Parteien, so sind diese an dessen Inhalt vertraglich gebunden. Notfalls können die hieraus resultierenden Ansprüche vor einem Gericht eingeklagt werden.

Vollstreckbarkeit der ADR-Entscheidung
Unmittelbar sind die ADR-Entscheidungen in der Regel nicht zwangsvollstreckbar. Eine Ausnahme gilt nur für Vergleiche besonderer ADR-Stellen. Dies betrifft ADR-Stellen, die von den Justizverwaltungen errichtet oder anerkannt wurden. Die dort geschlossenen Vergleiche verjähren erst nach 30 Jahren. Die Verleihung einer solchen Anerkennung durch die Justizverwaltung für alle ADR-Stellen wäre daher von Vorteil.

Verjährung
Gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist die Verjährung von Ansprüchen im Auge zu behalten. Die Rechtsverfolgung über Grenzen hinweg gestaltet sich gewöhnlich zeitaufwändig. In den meisten Ländern beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist nur wenige Jahre. Wichtig ist daher, den Lauf der Verjährung rechtzeitig zu stoppen. In der Vergangenheit konnte die Verjährung nur durch die Einleitung gerichtlicher Schritte zum Stillstand gebracht werden. Zu begrüßen ist daher, dass heute die Verjährung auch durch Verhandlungen oder durch einen Schlichtungsantrag bei den o. g. besonderen ADR-Stellen angehalten werden kann. Eine Ausweitung dieser Regelung auf alle weiteren ADR-Stellen würde die Attraktivität der außergerichtlichen Streitbeilegung steigern.

Obligatorischer ADR-Versuch
Zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung wurde vor einigen Jahren das Zivilprozessrecht reformiert. Ziel war und ist u.a. die Entlastung der Gerichte. Dies soll erreicht werden, indem eine ordnungsgemäße Klageerhebung (in bestimmten Fällen) den vorherigen Versuch außergerichtlicher Streitbeilegung voraussetzt.
Für grenzüberschreitende Streitigkeiten hat diese Regelung zwar keine unmittelbaren Folgen. Denn lediglich wenn die Parteien in der selben Region ihren Wohnsitz oder Niederlassung haben, ist der ADR-Versuch obligatorisch. Gleichwohl trägt diese Reform dazu bei, das System der ADR insgesamt stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.


5. Einzelne Handicaps bei ADR-Verfahren

a) Bekanntheitsdefizit der ADR-Stellen
Weiten Teilen der Bevölkerung ist nach wie vor nicht bewusst, dass außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit noch alternative Möglichkeiten der Streitentscheidung bestehen. Daher gehen Betroffene im Falle der Geltendmachung ihrer Ansprüche eher zum Gericht als zu einer ADR-Stelle. Gerichtsverfahren sind vielen Menschen auf Grund von Fernsehsendungen, eigenen Erfahrungen oder Berichten von Bekannten geläufiger als ADR-Verfahren. Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit könnte daher das große Potential der ADR-Stellen nutzbar machen.

b) Mangel an ADR-Stellen
Beste Öffentlichkeitsarbeit nutzt indes wenig, wenn es in einem konkreten Fall an einer zuständigen ADR-Stelle mangelt.

Erstens fehlen noch in bestimmten Wirtschaftsbereichen geeignete ADR-Stellen. Lücken bestehen insbesondere im Transport- und Einzelhandelssektor. Gerade diese Bereiche spielen aber für aus- und inländische Verbraucher eine bedeutende Rolle. Es ist wünschenswert, dass die betroffenen Wirtschaftsverbände entsprechende ADR-Stellen errichten. Außerdem könnte die Bereitstellung einer subsidiären ADR-Stelle mit branchenübergreifender Kompetenz fortbestehende Löcher im ADR-Netzwerk schließen.

Zweitens fehlen noch in bestimmten Regionen und Städten geeignete ADR-Stellen. Auch hier kommt als Ausweg die Schaffung einer zentralen ADR-Stelle mit bundesweiter Kompetenz in Betracht.

c) Blockade einer Partei
Neben diesen strukturellen Problemen können auch Schwierigkeiten im Rahmen der Einleitung eines ADR-Verfahrens auftreten, auch wenn prinzipiell eine ADR-Stelle zur Verfügung steht. So kommt es vor, dass ein Unternehmen die Durchführung eines ADR-Verfahrens ablehnt. Zur “Therapie“ können die mit einem ADR-Verfahren einher gehenden Vorteile gegenüber dem betreffenden Unternehmer deutlich angesprochen werden. Insbesondere ist die geringe Belastung der laufenden Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden hervorzuheben. Jedem Kaufmann leuchtet es ein, dass es einfacher ist, einen bisherigen Kunden zu halten, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Außerdem verhindert der Ausschluss der Öffentlichkeit in ADR-Verfahren, dass wichtige Geschäftsinterna nach außen gelangen. Im Übrigen begrenzt sich im Falle einer Niederlage das Risiko für den Unternehmer auf den Einzelfall, da die ADR-Entscheidung für ähnliche Fälle keine präjudizielle Wirkung entfaltet.

Die Überzeugungsarbeit ist jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt. Dies gilt insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten mit unlauterem oder gar kriminellem Hintergrund. Hier stößt das System der freiwilligen außergerichtlichen Streitbeilegung an seine immanenten Grenzen. An dieser Stelle ist vielmehr die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden gefragt. Geschädigte wenden sich dennoch ratsuchend an die Clearingstelle und erwarten nicht nur die Strafverfolgung, sondern auch eine finanzielle Wiedergutmachung.


6. Alternativen zu ADR

Das System der freiwilligen außergerichtlichen Streitbeilegung stellt in vielen Konstellationen das richtige Werkzeug zur Befriedung eines Rechtsstreits dar.
Die fortschreitende Zusammenarbeit der nationalen Justizbehörden wird jedoch dadurch nicht obsolet. Im Gegenteil, die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe, das europäische Mahnverfahren, der europäische Vollstreckungstitel usw. bleiben in bestimmten Konstellationen die erfolgversprechenderen Instrumente zur effektiven Durchsetzung hartnäckig bestrittener Ansprüche. Indirekt wirkt sich der Umstand, dass als Ultima ratio die mögliche gerichtliche Geltendmachung im Hintergrund steht, auch positiv auf das Verhalten der Parteien in Verhandlungen oder in einem Schlichtungsverfahren aus.


Christian MORITZ
Clearingstelle Deutschland
EURO-INFO-VERBRAUCHER e.V.
Kinzigstrasse 22
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