Expertentreffen zur Schlichtung im eCommerce am 28. Juni 2004 in Kehl

Bereits während der Darstellung der teilnehmenden Einrichtungen durch ihre Vertreter zeigte sich, dass die behandelten Themenschwerpunkte und Problemfälle durchweg übereinstimmen. So muss bei Beschwerden zu Internetanbietern berücksichtigt werden, dass die Charakteristika des Internet besondere Anforderungen an eine außergerichtliche Streitbeilegung stellt, die auch in einem Schlichtungsverfahren berücksichtigt werden müssen.

Besonderheiten des Internet erfordern neue Lösungen

Die Schnelllebigkeit des Internet birgt spezielle Gefahren für die Nutzer. Internetshops können schnell geöffnet und geschlossen werden, und auch eine Insolvenz des Anbieters ist für Außenstehende meist nicht zu erkennen. Daher ist eine möglichst rasche Beilegung von Streitigkeiten unerlässlich. Zudem werden Geschäfte im Internet zunehmend grenzüberschreitend abgeschlossen. Entstehen nach Vertragsabschluss Differenzen zwischen den Parteien, so stellt sich stets die Frage, welches nationale Recht auf den Vertrag Anwendung findet und wie die Streitigkeit zu lösen ist.

Gerichtsverfahren oft ungeeignet

Auch die bei Bestellungen im Internet oft geringen Streitwerte sowie die eventuelle Notwendigkeit eines Exequaturverfahrens, um ein Urteil im Ausland vollstrecken zu können, halten häufig Betroffene davon ab, gerichtlich gegen den Vertragpartner vorzugehen. Umso wichtiger sind daher Schlichtungsverfahren, die schnelle, kostengünstige und effiziente Möglichkeiten der Streitbeilegung bieten. Dies entspricht einem immer deutlicher zu Tage tretenden Wunsch der Verbraucher, hat aber auch erhebliche Vorteile für die beteiligten Unternehmer. Diese können sich durch eine gütliche Beilegung von Streitigkeiten langfristig ihren Kundenstamm erhalten. Unter Umständen kann die Beteiligung an Schlichtungsverfahren auch als Marketinginstrument für das Unternehmen verwendet werden, um potenziellen Kunden zu signalisieren, dass sie diesem Unternehmen vertrauen können.

Gütesiegel als ein Lösungsansatz

Einen solchen Ansatz wählen z.B. die Anbieter von Gütesiegeln, die eine Überprüfung des Unternehmens auf seine Kundenfreundlichkeit und Seriosität anbieten und dem Unternehmen die Verwendung eines speziellen Logos (Gütesiegel) auf seiner Homepage gestatten, sofern sie ihm attestiert haben, dass es sämtliche Anforderungen erfüllt. Oft wird diese Zertifizierung damit verbunden, dass sich das Unternehmen verpflichtet, für eventuelle Streitigkeiten mit seinen Kunden eine bestimmte Schlichtungseinrichtung anzuerkennen. Diesen Weg haben z.B. die Träger des Österreichischen E-Commerce-Gütezeichens im europaweiten Euro-Label-System gewählt, über das sich die Unternehmen verpflichten die Zuständigkeit des Internet Ombudsmannes Österreich anzuerkennen.

Große Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich

Bei der Darstellung des nationalen Systems der Gütesiegel zeigte sich, dass zwischen der Situation in Österreich und in Deutschland bzw. in anderen europäischen Staaten erhebliche Unterschiede bestehen: Während in Österreich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Überprüfung von Internetanbietern nur zwei staatlich anerkannte Gütezeichen existieren, herrscht in Deutschland ein regelrechter Gütezeichendschungel ohne staatliche Kontrolle. Dieses hat den Nachteil, dass es dadurch für Verbraucher erheblich schwerer zu ermitteln ist, ob sie einem Unternehmen vertrauen können.

Europaweite dauerhafte Zusammenarbeit der Schlichter wird angestrebt

Die Diskussion über nationale Unterschiede anlässlich derartiger Arbeitstreffen ermöglicht es den Teilnehmern, die Stärken und Schwächen der aktuellen Situation im eigenen Land zu erkennen und daraus Anregungen für eine zukünftige Entwicklung zu gewinnen. Eine europaweite Zusammenarbeit der Ombudsleute mit den nationalen Clearingstellen ist daher nach Ansicht aller Teilnehmer wünschenswert, um den Grundstein für ein funktionierendes europäisches Schlichtungswesen im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs zu legen. Wesentlicher Schritt hierzu wäre z.B. der Aufbau eines Netzwerkes von Internet-Ombudsleuten in Europa.

Um die Voraussetzungen für eine dauerhafte Zusammenarbeit der Clearingstellen mit den Ombudsleuten zu schaffen, wurde z.B. die Möglichkeit einer Notifizierung dieser Einrichtungen als nationale Schlichtungsstellen im europäischen Netzwerk für außergerichtliche Streitbeilegung angesprochen. Dabei stellte sich heraus, dass in Österreich diese Frage bereits diskutiert und die notwendigen Schritte hierfür veranlasst wurden, so dass eine Notifizierung demnächst erfolgen soll. Auch in Deutschland wird hierüber nachgedacht.

Eine europaweite Vernetzung der nationalen Akteure im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs und der Verbraucherunterstützung würde den bereits bestehenden Informationsaustausch noch verstärken und somit eine verbesserte Aufklärung der Öffentlichkeit ermöglichen. So berichteten die Schlichter, dass es oftmals notwendig ist, Verbraucher über ihre Rechte und Unternehmen über ihre Pflichten aufzuklären. Häufig können Streitfälle allein durch diese Aufklärungsarbeit gelöst und für die Zukunft vermieden werden.

Praktische Unterschiede zwischen den Internetschlichtern aus Deutschland und Österreich

Sollte es dennoch zum Streit kommen, so haben die Internetschlichter aus Deutschland und Österreich bei der Streitbeilegung unterschiedliche Ansätze gewählt, um zudem noch dem Problem der Schnelllebigkeit des Internets wirksam begegnen zu können. Insbesondere haben beide das Internet als Medium des Vertragsschlusses gewählt, um aus diesen Verträgen entstandene Streitigkeiten beilegen zu können.

Während der bereits seit 1999 tätige Internet Ombudsmann Österreich die Schlichtung in erster Linie über den reinen eMail-Kontakt abwickelt, richtet der deutsche Ombudsmann, der seine Tätigkeit Ende 2003 begonnen hat, im Internet eine nur für die Streitparteien und den Schlichter zugängliche elektronische Akte ein, über die die gesamte Schlichtung durchgeführt wird. Schriftliche Ausführungen, die vor allem aufgrund der Postwege erheblich zeitaufwändiger sind als ein reiner eMail-Kontakt, stellen bei beiden Schlichtern eher die Ausnahme dar.

Hindernisse bei der Online-Schlichtung

Leider erklärt sich nicht jedes Unternehmen problemlos bereit, an einer solchen Schlichtung teilzunehmen. Sanktionsmöglichkeiten bei einem kundenunfreundlichen Verhalten oder einer mangelnden Bereitschaft, die eigenen Verpflichtungen zu erfüllen sind daher unerlässlich. Die Ombudsleute haben daher Negativlisten entwickelt, auf denen Unternehmen aufgelistet werden, die sich weigern an einer Schlichtung teilzunehmen oder gegen die bereits Anzeige erstattet wurde, z.B. wegen Betruges. In derartigen Fällen ist es unbedingt notwendig, die Öffentlichkeit frühzeitig zu informieren, da von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden kann, sobald mehrere Beschwerden zu einem Unternehmen eingehen.

Die Teilnehmer stellten daher fest, dass eine europaweite Vernetzung der einzelnen Einrichtungen wünschenswert ist, um diese Informationen umfangreicher sammeln und austauschen zu können und gleichzeitig, z.B. über das Netzwerk der Clearingstellen Möglichkeiten zu schaffen, um bestehenden Sprachbarrieren auch für Verbraucher zu überwinden. Für den Verbraucher hat dies den Vorteil, dass er von seinem jeweiligen Ansprechpartner unmittelbar umfassende und qualifizierte Informationen erhalten kann, ohne von einer Einrichtung zur nächsten weitergeleitet zu werden.

Durch diese Konzentration der Informationen bei einer Stelle können Unterschiede des nationalen Rechts bei der Behandlung der Streitigkeit einfacher berücksichtigt werden.

Weitere Treffen und eine internationale Konferenz als Zukunftsperspektive

In diesem Sinne sprachen sich die Teilnehmer für wiederholte Arbeitstreffen in der Zukunft aus, die Gelegenheit bieten könnten, die Tätigkeiten der Einrichtungen weiter zu koordinieren.

Die für Anfang 2005 geplante internationale Konferenz der Clearingstelle Deutschland zur Schlichtung im e-Commerce wird ein Podium bilden, auf dem die rechtliche und praktische Situation in den einzelnen Staaten dargestellt und aus dem Vergleich sinnvolle Lösungen für den europäischen Verbraucherschutz im e-Commerce gezogen werden können.