Neues Urteil aus Luxemburg:
Kosten für ambulante Behandlung im Ausland müssen erstattet werden

Am 13.05.2003 fällte der EuGH in Luxemburg ein weiteres Urteil in Sachen Erstattung von Kosten, die für medizinische Behandlungen im EU-Ausland entstanden sind, und hat damit die Möglichkeiten der Bürger, medizinische Leistungen außerhalb ihres eigenen Landes in Anspruch zu nehmen, weiter ausgedehnt.

Dieses Urteil wird insbesondere Auswirkungen für die Angehörigen der deutschen gesetzlichen Krankenkassen haben, die sich bisher unter Hinweis auf die früheren Urteile des EuGH weigerten, solche Kosten ohne vorherige Genehmigung zu übernehmen:

In den früheren Urteilen Decker und Kohll hatte der Gerichtshof die Praxis der Krankenkassen, Kosten für medizinische Behandlungen im Ausland nur nach vorheriger Genehmigung zu übernehmen, als unvereinbar mit geltendem Europarecht erklärt. Den Urteilen lagen aber jeweils ein Rechtsstreit mit einer luxemburgischen Krankenkasse zugrunde. Das luxemburgische Krankenversicherungssystem basiert - ähnlich wie das französische - auf dem sog. Erstattungsprinzip. Für das deutsche Krankenversicherungssystem, das hingegen auf dem sog. Sachleistungsprinzip beruht, galten diese Urteile somit nicht unmittelbar.

Im Fall Smits/Peerbooms entschied der EuGH über die Erstattung von Krankenhauskosten im Rahmen des niederländischen Krankenkassensystems, das - ebenso wie das deutsche System - auf dem sog. Sachleistungsprinzip beruht und erklärte wegen der erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Systeme das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung für die Erstattung von Krankenhauskosten für europarechtskonform. Diese Rechtsprechung schien die Praxis der deutschen Krankenkassen in vollem Unfang zu bestätigen. Allerdings stellte der Gerichtshof auch klar, dass die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Entscheidung auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.
Das neue Urteil hingegen leitet eine Trendwende ein: Der EuGH entschied im Fall Müller-Fauré/van Riet ebenfalls wie im Fall Smits/Peerbooms über die Erstattung von Behandlungskosten durch niederländische Krankenkassen, unterschied hierbei aber zwischen Kosten für eine Krankenhausversorgung und solchen für eine Behandlung außerhalb eines Krankenhauses. Im ersten Fall bestätigte der Gerichtshof seine Rechtsprechung aus Smits/Peerbooms und konkretisierte sie hinsichtlich der Möglichkeit der Versagung der Genehmigung. Im zweiten Fall erklärte er den Genehmigungsvorbehalt für eine Kostenübernahme für mit Europarecht unvereinbar.

Fazit: Die deutschen Krankenkassen dürfen die Übernahme von Kosten für medizinische Behandlungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU außerhalb eines Krankenhauses erbracht wurden, nicht mehr von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen. Sie müssen daher für eine solche Behandlung in gleichem Maße aufkommen, wie wenn die Behandlung bei einem Vertragsarzt in Deutschland durchgeführt worden wäre. Das heißt, dass auch nach diesem neuen Urteil nur die Kosten erstattet werden müssen, die vom Leistungskatalog der Krankenkasse umfasst werden, und dies nur in Höhe der in Deutschland geltenden Sätze.

mehr